Ein Forschungsteam der Universität Göttingen und das katholische Hilfswerk Misereor haben nach eigenen Angaben eine neue Methode zur Armutsmessung entwickelt. Erstmals werde das Kriterium, sich eine angemessene Ernährung leisten zu können, als ein „entscheidender Aspekt des menschlichen Wohlbefindens“ berücksichtigt, teilte die Uni Göttingen am Montag mit. Dieser Aspekt werde bei der derzeitigen Armutsmessung übersehen, hieß es. Nach den Maßstäben der neuen Messung lebten im Jahr 2022 weltweit zwischen 2,3 und 2,9 Milliarden Menschen in Armut.
„Milliarden von Menschen werden nach heutigen Maßstäben nicht als extrem arm eingestuft, können sich aber keine Lebensmittel für eine angemessene Ernährung und andere Grundbedürfnisse leisten“, betonte der Erstautor der Studie, Jonas Stehl. Dadurch rückten die gesundheitlichen Folgen von Mangelernährung in den Hintergrund.
Für ihre in der Fachzeitschrift Food Policy veröffentlichte Studie verglichen die Forschenden die Kosten einer gesunden, internationalen Ernährungsrichtlinien entsprechenden Grundnahrung mit Konsumdaten aus 145 Ländern. Während nach den Kriterien der Weltbank zwei Drittel der als arm eingestuften Menschen in Afrika südlich der Sahara leben, liegt das höchste Armutsaufkommen nach der Methode der Göttinger Forscher in Südostasien mit rund einem Drittel aller Betroffenen. Subsahara-Afrika folgt dicht dahinter.
Zudem entfielen nach herkömmlichen Maßstäben nur sieben Prozent der weltweiten Armut auf weitere Regionen, hieß es weiter. Die Göttinger Forscher kommen indes auf bis zu 35 Prozent mit Schwerpunkten im übrigen Asien und dem Pazifikraum.
„Um einen gezielteren Einsatz von Ressourcen zu erreichen, könnte es helfen, wenn die Weltbank ihren Ansatz zur Messung von Armut überdenkt“, sagte der Göttinger Forscher Stehl. Bislang gilt vor allem die 2,15-Dollar-Grenze als entscheidendes Kriterium zur Armuts-Ermittlung. Dieser Betrag wird von der Weltbank als überlebensnotwendiges Minimum angesehen. Auf dieser Grundlage galten in 2022 bis zu 750 Millionen Menschen als von extremer Armut betroffen.