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Glyphosat oder: Welche Landwirtschaft wollen wir?

Das Unkrautvernichtungsmittel ist Teil eines gefährlichen Teufelskreises

farbkombinat - Fotolia

In Europa herrscht Streit über ein Totalherbizid: Glyphosat. Das Mittel tötet alle grünen Pflanzen ab. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte es im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft, ein anderes WHO-Gremium kommt 2016 zu dem Schluss, dass die in Lebensmitteln enthaltenen Rückstände nicht gesundheitsgefährlich seien. Die Europäische Union musste bis Ende Juni über eine Verlängerung der Zulassung des Mittels entscheiden. Nachdem sich die Mitgliedsstaaten in vier Abstimmungen nicht auf eine mehrheitliche Position zu dem Mittel einigen konnten, hat am 29. Juni die EU-Kommission eine Verlängerung der Zulassung um 18 Monate verfügt.
Ich möchte mich nicht an der Debatte beteiligen, ob und wenn ja, ab welcher Konzentration Glyphosat krebserregend sein könnte. Bei krebserregenden Substanzen gibt es keine „sichere Dosis“. Meldungen aus Südamerika über Vergiftungen, Missbildungen und Tumore mahnen zur Vorsicht. Dort werden Glyphosat und andere Herbizide großflächig versprüht. Es wäre angeraten, nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln und glyphosathaltige Herbizide einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, bevor man sie wieder genehmigt.
Das bringt mich zu dem eigentlichen Problem: Wie viel Herbizid verträgt die Erde? Im Jahr 2014 sollen weltweit insgesamt 826 Millionen Kilogramm Glyphosat ausgebracht worden sein. Kein einzelnes Herbizid ist jemals zuvor in diesen Dimensionen verwendet worden. Und dies hat gravierende Folgen für die biologische Vielfalt: Wo Nahrungspflanzen fehlen, verschwinden Insekten, die Zahl der Bestäuber sinkt drastisch, die Nahrungskette wird unterbrochen. Glyphosat ist nicht nur ein mögliches Risiko für unsere Gesundheit, sondern insbesondere eine Gefahr für die Artenvielfalt des Planeten.
Warum ist die Landwirtschaft so abhängig von nur einem Herbizid? Eine Antwort lautet: Gentechnik. Seit 1996 werden gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen angebaut, die gegen Glyphosat resistent sind. Der Landwirt kann seine Felder spritzen, nur die gv Pflanze überlebt. Für eine großflächige, quasi industrielle Landwirtschaft schien das vorteilhaft, weil der Arbeitsaufwand sank. Dann wurden viele Ackerbegleitkräuter resistent gegen Glyphosat und es wurde mehr gespritzt; „Superunkräuter“ sind nur schwer zu beseitigen.
Aber auch in Deutschland, wo keine genetisch veränderten Pflanzen angebaut werden, wird Glyphosat eingesetzt. 2014 sollen über 5 Millionen Kilogramm auf etwa 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche verspritzt worden sein. Was bedeutet das für die Bodenfruchtbarkeit und die biologische Vielfalt? Und wird dies dem biblischen Auftrag des Bebauens und Bewahrens gerecht? Kann eine gute landwirtschaftliche Praxis nicht auch ohne Totalherbizide gestaltet werden? Ich wünsche mir eine Landwirtschaft, die zur Artenvielfalt beiträgt, die schmackhafte Lebensmittel möglichst ohne Chemierückstände produziert und gleichzeitig den Bäuerinnen und Bauern ein gutes Einkommen sichert. Und ich wünsche mir eine Agrarforschung, die auf diese Fragen umweltschonende Antworten liefert.