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Glaube fordert auf zum Handeln

500 Jahre alt ist die Botschaft der Reformation – aber sie hat immer noch etwas zu sagen. Auch zur AfD. Jahresmediengespräch mit Präses Annette Kurschus

DORTMUND – Reformationsjubiläum, Luther rauf und runter – wie aktuell ist die Botschaft des Protestantismus denn eigentlich noch? „Sehr“, sagt Annette Kurschus. Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen ist überzeugt: Die Grundfrage Martin Luthers, wie kriege ich einen gnädigen Gott, durchzieht auch heute noch die Gesellschaft.
Die leitende Theologin der westfälischen Landeskirche hat Journalistinnen und Journalisten aus ganz Nordrhein-Westfalen nach Dortmund eingeladen. Jahresmediengespräch nennt sich das Ganze. Die Atmosphäre ist freundlich. Die Präses fordert zu Fragen auf.
Die kommen. Wen interessiert heute noch Luther? „Die Menschen mögen ihre Fragen heute anders formulieren“, erklärt Kurschus. „Sie sorgen sich: Wie kann ich ein würdiger, wertvoller Mensch sein? Wie kann ich mithalten?“
Aber hinter den Fragen nach Leistung, Gesundheit, Anerkennung und Geld stecke die gleiche Sorge wie bei Luther, der vor 500 Jahren nach dem gnädigen Gott fragte, so die Präses. Die biblische Botschaft befreie den Menschen von der Sorge um sich selbst. „Das ist schon das halbe Evangelium“, so Kurschus. Die andere Hälfte: „Gott macht mich frei – für den Anderen.“
Christ sein könne immer nur im Zusammenhang des Engagements für Mitmensch und Gesellschaft gesehen werden, so die Überzeugung der leitenden Theologin. Dies zu vermitteln sei auch das Ziel der Kampagne „Einfach frei“, die die westfälische Kirche zum Reformationsjubiläum ins Leben gerufen hat.
Dieses Engagement zeige sich auch im Einsatz für den Erhalt der Demokratie, sagte Kurschus.  Scharf wendet sich die Präses gegen fremdenfeindliche Politik im Namen des Christentums. „Wer Rassismus christlich verbrämt, pervertiert die Botschaft Jesu.“ Die Diffamierung von allem, was nicht deutsch sei, lasse sich mit ihrem Verständnis des christlichen Glaubens nicht vereinbaren, so die leitende Theologin. Wer solche AfD-Haltungen vertrete, dürfe nicht als Pfarrer oder Presbyter für die Kirche stehen: „Ich würde das Gespräch mit einem solchen Menschen suchen und ihm ganz klar sagen, dass ich es für unmöglich halte, bei uns ein kirchliches Amt zu übernehmen, weil es gegen das Evangelium ist.“ gmh