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Glaube als Kompass

Religion ist wichtig im Leben und politischen Handeln des gebürtigen Lippers Frank-Walter Steinmeier. Als zwölfter Bundespräsident will er das Vertrauen in die Demokratie stärken

© epd-bild / Jens Schulze

Eigentlich war Frank-Walter Steinmeier schon vor seiner Kandidatur und Wahl zum Bundespräsidenten für ein anderes Präsidentenamt vorgesehen. Das hat er aber inzwischen abgesagt – wohl wegen seiner neuen Aufgabe, die er im März antritt: Steinmeier sollte Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2019 in Dortmund werden.  Daraus wird nun nichts mehr. Aber kommen wird er zu dem kirchlichen Großereignis sicher – sofern nichts Unvorhergesehenes geschieht. Denn die Religion liegt dem reformierten Christen aus Lippe am Herzen.
Der 61-Jährige ist im Glauben verwurzelt. Auch im Außenministerium hat er ihn „nicht an der Garderobe“ abgegeben, sagte er vor einigen Monaten bei einer Preisverleihung. Und er betonte, der Glaube sei ihm Kompass. Auch bei politischen Entscheidungen orientiere er sich daran.
Als Protestant sieht Steinmeier sich in der Tradition seiner Eltern: Sein Vater stammt aus dem reformiert geprägten Lippe, seine Mutter aus dem evangelischen Teil Schlesiens. Wie sein Freund und Parteifreund, der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder, kommt er aus einfachen Verhältnissen, aus einem Elternhaus „ohne Klavier und Bibliothek“.

Promotion über das Recht auf Wohnraum

Wie Schröder arbeitete er sich hoch, machte sein Abitur, studierte Jura und promovierte. Seine politische Karriere begann er 1993 als Büroleiter des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder. Später war er Kanzleramtschef und bereits in der großen Koalition von 2005 bis 2009 Außenminister. Mit Blick auf die von ihm mitentworfene Agenda 2010 und die Hartz-IV-Gesetze mag das Thema seiner Doktorarbeit Kritiker dieser Sozialreformen verwundern: Er schrieb über Obdachlosigkeit und das Recht auf Wohnraum.
Dem Engagement für Wohnungslose ist Steinmeier treu geblieben: Im vergangenen Juli besuchte er die Bahnhofsmission am Berliner Bahnhof Zoo. Ohne Krawatte und mit hochgekrempelten Ärmeln hörte er dort den Ehrenamtlichen zu, die ihn wegen seiner zupackenden Art sehr schätzen. So hat Steinmeier hier auch schon bei einer Essensausgabe geholfen.
Seine Frau Elke Büdenbender, die als Verwaltungsrichterin in Berlin arbeitet und der er vor einigen Jahren eine Niere spendete, sowie seine Tochter helfen ihm, dass er die Bodenhaftung nicht verliert: Nach einer Auslandsreise baute ihr Mann zu Hause nachts für seine inzwischen erwachsene Tochter Merit auch schon mal Ikea-Regale auf, verriet Büdenbender in einem Interview.

Verheiratet mit der Katholikin Büdenbender

Steinmeiers Frau ist es zudem zu verdanken, dass er keine Berührungsängste mit der katholischen Kirche hat: Sie ist katholisch. Nach der Geburt der Tochter gab es lange Diskussionen, wie sie nun getauft werden solle. „Es war ein ernsthafter Entscheidungsprozess“, sagte Büdenbender in einem Interview der Katho-lischen Nachrichten-Agentur. Sie stritten damals über das typisch Evangelische und das typisch Katholische, so erzählte sie weiter. Den Ausschlag über die Wahl der Konfession der Tochter gab Büdenbender zufolge schließlich ein evangelischer Pastor, der sich nach dem Umzug nach Berlin um das Paar kümmerte.
Zugleich betonen Steinmeier und seine Frau, dass sie ihre Ehe als konfessionsverbindend und nicht als konfessionsverschieden betrachten. Dazu passt ein Preis, mit dem Steinmeier erst im vergangenen Jahr geehrt wurde: Als erster Politiker erhielt er den Ökumenischen Preis der Katholischen Akademie Bayern. In seiner Dankesrede hob er die Rolle der Kirchen hervor. Sie seien Vorreiter der Einheit Europas; ihre friedliche Vielfalt könne beispielhaft sein.
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, würdigte bei der Preisverleihung Steinmeiers Verdienste für den interreligiösen Dialog: Der Außenminister arbeite mit Beharrlichkeit daran, feste Verknotungen aufzulösen. Er widerspreche damit „der allzu einfachen These, Islam und Demokratie seien unvereinbar“. Ein Zeichen dafür setzte Steinmeier während seiner Amtszeit im Außenministerium: Er machte eine Muslima zu seiner stellvertretenden Pressesprecherin.
Selbst seine politischen Gegner loben seine Besonnenheit. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Steinmeier ein Mann, „dem die Bürger vertrauen“. Der designierte zwölfte Präsident der Bundesrepublik Deutschland selbst gibt sich bescheiden: Die Wahl erfülle ihn mit großer Freude und sein „großer Respekt vor diesem Amt bleibt“, sagte er vor der Bundesversammlung.
In seiner Rede nach der Wahl warb er um Vertrauen in die Demokratie. Wenn das Fundament der Werte des Westens anderswo wackele, „müssen wir umso fester zu diesem Fundament stehen“, sagte er. Der bisherige Außenminister forderte Mut, einander zuzuhören und warnte davor, das Ringen um Lösungen in einer Demokratie als Schwäche zu empfinden. „Liebe Landsleute, lasst uns mutig sein“, rief er den Wahlleuten zu.