50 Jahre schlummerten sie in Kisten im Depot: Jetzt begeistern die historischen Glasgemälde, mit denen Hermann Fürst von Pückler-Muskau (1785-1871) das Haupttreppenhaus im Branitzer Schloss hatte ausschmücken lassen, wieder mit ihrem Farbenspiel. 1856 hatte der Fürst die Scheiben aus der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts dort eingefügt und die Gestaltung des Treppenhauses darauf abgestimmt. „Die Farbe war für ihn das Wichtigste“, sagt Simone Neuhäuser, die Sammlungsleiterin der Stiftung Fürst-Pückler-Museum in Branitz. Der Fürst hatte sich einen „großen Auftritt“ für sein Treppenhaus gewünscht.
Die Wiederkehr der wertvollen Glasfenster markiert den Höhepunkt und Abschluss der Arbeiten zur Restaurierung des Schlossinterieurs. „Es ist vollbracht: Branitz hat wieder seinen großen Auftritt!“, freut sich Stiftungsvorstand Stefan Körner. Die Restaurierung mit Kosten in Höhe von 660.000 Euro wurde gefördert durch die Ostdeutsche Sparkassenstiftung, die Sparkasse Spree-Neiße sowie von Bund und Land.
Zusammen mit dem Treppenhaus wurden auch das Vestibül mit der Ahnengalerie sowie der sogenannte Waffengang im Schloss mit fast 80 Waffen aus der Sammlung der „Erben nach Fürst Pückler in Branitz“ wiederhergestellt. Sie waren bei Kriegsende 1945 im Schlossteich versenkt, 1952 jedoch geborgen worden. Auch sie sind jetzt restauriert nach Branitz zurückgekehrt. Elke Gräfin Pückler, Vertreterin der Erbengemeinschaft: „Wir haben diese Kunstwerke zurückübereignet bekommen, aber das Schloss ist ein Kulturgut, und selbstverständlich gehören sie hierher, wo sie ganz wunderbar bewahrt werden. Für uns ist Branitz wieder ein Familienmittelpunkt.“
Fürst Pückler ist heute vor allem wegen seiner Gartenschöpfungen berühmt, mit denen er zunächst den Stammsitz in Muskau an der Neiße – heute Unesco-Welterbe – und ab 1845 in Branitz bei Cottbus einzigartige Landschaftsgemälde in der Natur komponierte. Dass der Fürst auch ein leidenschaftlicher Sammler von Glasgemälden war, ist in Vergessenheit geraten. „Wir haben erst jetzt bei diesem Projekt entdeckt, wie durchgehend ihn das zeit seines Lebens beschäftigt hat“, sagt Simone Neuhäuser. 2020 hatte die Branitzer Stiftung mit der Erforschung, der Digitalisierung und Restaurierung der wertvollen Glasgemälde aus der Sammlung des Fürsten begonnen: „Pückler hat über viele Jahrzehnte Glasmalereien erworben und immer ein Auge dafür gehabt, wer gerade der angesagteste Glasmaler war.“
Den Anstoß für Pücklers Sammelleidenschaft gab seine Ehefrau Lucie. Sie schenkte ihrem Verlobten 1816 das erste Glasgemälde, das er zunächst im Muskauer Schloss einbauen ließ und später nach Branitz mitnahm. Hier schuf er für die Glasgemälde, darunter auch die Scheibe von Lucie mit dem Bogenschützen, einen neuen Rahmen im Treppenhaus. Für die beiden großen Fenster wählte der Fürst Wappenschilder, Heiligendarstellungen und biblische Szenen aus; dazu Porträts der vier Kirchenväter und allegorische Darstellungen, um sie zu einer ganz eigenen Bildfolge zu kombinieren, die seine Lust an leuchtenden Farben belegt.
Besonders eindrucksvoll sind die allegorischen Glasgemälde von 1597 im rechten Fenster. Die Szene der Wollust zeigt ein Paar auf einem Waldweg, gefolgt von einem Lautenspieler und einem Narr. Der Mann redet auf die Frau ein, sie erwidert mit skeptischem Blick. Die virtuos gemalten Scheiben stammen von dem Züricher Künstler Hans Jakob Sprüngli (1559-1637). Für Maria Deiters, Leiterin der Forschungsstelle für Glasmalerei Corpus Vitrearum der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die die Erforschung und Restaurierung der Glasgemälde begleitete, bilden sie das Highlight.
1961 waren die farbigen Glasfenster bis auf wenige, politisch „unbedenkliche“ Wappenscheiben, ausgebaut worden. Anhaltspunkte für die Restaurierung boten allein zwei Schwarzweiß-Fotos von 1899 sowie 1961. Fehlstellen wurden mit Siebdruck auf Glas reproduziert, so dass sich wieder ein harmonisches Bild ergibt. Pücklers Gäste schwärmten einst von dem „magischen Leuchten“ im Branitzer Treppenhaus. Davon können sich die Besucher jetzt wieder faszinieren lassen.