Ghana wird gerne als Westafrikas Musterdemokratie bezeichnet. Das Land ist politisch stabil. Doch wirtschaftlich kriselt es gewaltig. Lebensmittel sind teuer, und illegaler Goldabbau lässt Farmland schrumpfen.
Es ist eine spannende Präsidentenwahl, die Ghana bevorsteht. Auf dem Stimmzettel für den 7. Dezember – traditionelles Wahldatum in dem westafrikanischen Staat mit einer Bevölkerung von gut 35 Millionen – stehen zwölf Namen. Erwartet wird einmal mehr ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien. Nach zwei Amtszeiten darf Amtsinhaber Nana Akufo-Addo von der Neuen Patriotischen Partei (NPP) allerdings nicht mehr antreten.
NPP-Spitzenkandidat ist der derzeitige Vizepräsident Mahamudu Bawumia (61). Der Banker und Wirtschaftswissenschaftler studierte und arbeitete mehr als 20 Jahre in England und den USA und wurde danach Vize-Gouverneur der ghanaischen Zentralbank. Seine Wahlkampftour beendete er laut X-Post mit Gebeten in einer Freikirche, die auf ihrer Homepage mit allerlei Heilungswundern wirbt.
Er selbst ist Muslim aus dem Norden. Das Magazin “Africa Report” titelte nach den internen Vorwahlen im November 2023: “Bawumia schreibt Geschichte als erster muslimischer Fahnenträger der NPP”. Als Fahnenträger – auf Englisch flag bearer – wird in Ghana der Spitzenkandidat einer Partei bezeichnet. Im Wahlkampf ist das jedoch kein Thema. Dort wird Bawumia als “Mr. Digital” bezeichnet und somit als jemand, dem man Neuerungen und Fortschritte in der Digitalisierung zutraut.
Mit John Mahama (66) vom Nationalen Demokratischen Kongresses (NDC) will ein ehemaliger Präsident – er regierte zwischen 2012 und 2017 – zurück an die Staatsspitze, nachdem er zweimal Akufo-Addo unterlag. Ghanaischen Medien zufolge stammt Mahama – er studierte in Ghana und Moskau Geschichte und Sozialpsychologie – aus einer gemischt christlich-muslimischen Familie.
Er gehört zu den Befürwortern eines Gesetzentwurfs, der Rechte von lesbischen, schwulen und queeren Menschen weiter einschränken soll. Gleichgeschlechtlicher Sex kann demnach mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden. Mahama begründete: “Mein Glaube erlaubt es mir nicht, zu akzeptieren, dass ein Mann einen Mann heiratet und eine Frau eine Frau.” Die Vorlage erhielt weltweit Kritik.
Die in Accra ansässige Forschungsgruppe Global Info Analytics sah Mahama in einer Anfang Oktober veröffentlichten Meinungsumfrage vorne. Nach Einschätzung von Anna Wasserfall, die in Ghana das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung leitet, lautet die entscheidende Frage allerdings: “Welcher Partei gelingt die Mobilisierung der Wähler besser? Beide verfügen über eine hohe Zahl an Stammwählern.”
Allerdings ist die Zahl der Erstwähler – insgesamt sind rund 18,8 Millionen Wähler registriert – hoch. Die Rede ist von mindestens 700.000. Mitunter wird die Zahl deutlich höher angegeben. Die sogenannte Generation Z gilt es zu überzeugen.
Zumindest im Wahlkampf dichter an den Jungwählern ist der ghanaische Unternehmer Nana Kwame Bediako, Spitzname Cheddar. Der 44-Jährige betreibt viel Wahlkampf in Sozialen Netzwerken, präsentiert sich als Panafrikanist, Self-Made-Man und Anhänger von Donald Trump. Zu einem gerade veröffentlichen Video heißt es: “Zwei mutige Führungspersönlichkeiten – eine Vision”. Eins darf aber auch bei Nana Kwame Bediako nicht fehlen: der Besuch von Kirchen.
Chancen auf ein zweistelliges Ergebnis hat Cheddar jedoch nicht. Wahlen in Afrika sind zumeist Personenwahlen und werden auf dem Land gewonnen. Trotz steigender Internetnutzung – knapp 70 Prozent der Ghanaer haben mittlerweile Zugang – braucht es viele Unterstützer, die in Dörfern Plakate kleben und Netzwerke erstellen und pflegen.
Zentrales Thema der Wähler ist die wirtschaftliche Entwicklung im Land. Ghana gilt zwar seit Jahrzehnten als politisch stabil, was für das zunehmend von Krisen gebeutelte Westafrika zentral ist. Doch finanziell geht es dem Staat schlecht.
Im Oktober lag die Inflation bei 22 Prozent. “Die Lebensmittelpreise sind hoch. Die Menschen bekommen wenig für ihr Geld”, sagt Anna Wasserfall. Schon vor vier Jahren war Jugendarbeitslosigkeit ein zentrales Thema im Wahlkampf. Sie liegt mittlerweile verschiedenen Schätzungen zufolge zwischen knapp 15 und gut 19 Prozent. Daran hat auch die Einführung des kostenfreien Besuchs der weiterführenden Schule – es gilt als einer der Erfolge von Akufo-Addo – nichts geändert.
Als besorgniserregend gilt jedoch auch der zunehmende Verlust des Farmlandes. Zwar sind einige Viertel in Accra modern und hipp, mit Cafés und angesagten Restaurants – und entsprechend hohen Preisen. Doch laut ghanaischer Statistikbehörde ist etwa jeder Dritte im Land im Agrarsektor tätig.
Der leidet zunehmend unter dem illegalen Goldabbau im kleinen Stil – Galamsey genannt. Das Wort bedeutet: gather them and sell, also sammelt und verkauft sie. Nach Informationen des südafrikanischen Instituts für Sicherheitsstudien zerstört Galamsey vor allem den Kakaoanbau. Die Ernte war im Juli gerade einmal halb so hoch wie in früheren Jahren. Betroffen sind demnach auch zahlreiche unter Schutz stehende Wälder. Industrialisierungsversuche fangen das nicht auf.