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Gespräche auf dem Lebensweg

Jesus als ein aufmerksamer und mitleidender Gesprächspartner: Wie ein geistlicher Begleiter die Geschichte von den Emmausjüngern sieht

Simon Evans

Pfarrer Wolfgang Breithaupt leitete 28 Jahre das „Haus der Stille“ in Weitenhagen bei Greifswald. Harald Krille sprach mit ihm darüber, wie Menschen negative Erfahrungen überwinden können.

Jesus traf die Emmausjünger und ließ sich erst einmal erzählen, was sie beschäftigt. Ein therapeutisches Konzept?
So könnte man es nennen. Wenn Menschen negative oder gar traumatische Erfahrungen gemacht haben, gilt immer als Erstes: zuhören, zuhören, zuhören. Oft über eine längere Wegstrecke. Erst dann ist der Boden bereitet, Fragen zu stellen – so wie es Jesus auch auf dem Weg mit den Emmausjüngern gemacht hat.

Warum Fragen stellen und welche?
Fragen helfen, die schmerzhaften oder enttäuschenden Erlebnisse in die gegenwärtige Situation zu bringen. Solange ich eine negative Erfahrung nur immer im Rückblick thematisiere, bleibe ich in der Opferrolle. Veränderung im Sinne einer Klärung oder eines Heilungsprozesses ist erst möglich, wenn ich mit der konkreten Not in der Gegenwart angekommen bin und so darüber sprechen kann. Die in diesem Zusammenhang zu stellenden Fragen sollen zur Klarheit helfen, zum Aussprechen dessen, was so schwer zu sagen ist.

Gut, dann ist jemand in der Gegenwart, und wie weiter?
Dann gilt es den Blick dafür zu öffnen, was aus dieser Notsituation heraus trotzdem möglich ist oder möglich werden kann. Als Begleiter unterstütze ich alles, was Leben trotz der Not fördert. Da gibt uns wiederum die Bibel einen interessanten Hinweis: die Erinnerungskultur. Ein Beispiel: Israel feiert jedes Jahr das Passahfest, um sich daran zu erinnern, dass Gott sie aus Knechtschaft, aus Fremdherrschaft, geführt hat. Jedes Jahr feiern sie dieses Ereignis, um nicht die große Hilfe Gottes in einer aussichtslosen Situation zu vergessen. Dieses Erinnern stärkt die Gewissheit, auch in aktuellen notvollen Ereignissen mit Gottes Hilfe rechnen zu können. Paulus kannte diese Erinnerungskultur auch. Deshalb formuliert er: „Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.“

• So eine Aussage kann aber auch ganz schön vor den Kopf stoßen.
So ein Satz darf niemals am Anfang eines Gespräches ausgesprochen werden. Er kann als Hoffnungssatz am Ende eines langen gemeinsamen Weges stehen. Wir können Menschen helfen, dass sie selbst ein Stück in diese Richtung denken. Das kann enorme Kräfte wecken, aus einer schweren Situation rauszukommen. Denken Sie an das wunderbare Lied von Joachim Neander, „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ (eg 317): „In wieviel Not, hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet!“, heißt es in Strophe 3. Wir werden in unserem Leben Not, Schwierigkeiten, auch traumatische Erfahrung erleben. Wir werden von Menschen und vielleicht auch von unseren Gottesbildern enttäuscht. Dann ist es gut, jemanden zu haben, der nicht schnell mit irgendwelchen Hilfestellungen kommt, sondern zuhört, mitleidet, sich mit uns identifiziert, aber dennoch wie Jesus den Emmausjüngern ein souveränes Gegenüber bleibt.

Das klingt alles sehr nachvollziehbar. Welche Rolle spielt für Sie Gott dabei?
Wenn ein Mensch kommt und um ein Gespräch bittet, dann heißt das für mich als Christ und geistlicher Begleiter, diesen Menschen im Gebet in die Gegenwart Jesu zu stellen. Und das in zwei Richtungen: Einmal in der Fürbitte für den Menschen selber und zum anderen in der Bitte an Jesus, dass er so, wie bei den Emmausjüngern, auch der Dritte im Bund ist und uns beide dann auf dem Weg begleitet.
Wir haben als Christen das große Privileg, die Ewigkeitsdimension, den Auferstandenen selbst, mit in unsere Gespräche hineinnehmen zu können. Meine Erfahrung ist, dass Menschen eine solche „Dreierrunde“ spüren und positiv aufnehmen.