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Genießen ohne Reue: Schokolade ist eine alte Fastenspeise

Schokolade macht glücklich: Ein Grund, warum der Verzicht auf sie vielen Menschen schwerfällt. Entsagen ist ohnehin nicht unbedingt nötig – im 16. Jahrhundert war sie sogar offizielle Fastenspeise.

Schokoladenkekse zum Kaffee, heißer Kakao an kalten Wintertagen oder Pralinen mit Nussnougatfüllung zwischendurch. Bei einem Stück bleibt es da selten: Wen die Naschlust erst einmal gepackt hat, der genießt Vollmilch- und Zartbittertafeln auch gern riegelweise oder gleich en masse. Was bleibt, ist das schlechte Gewissen und der Speck auf den Hüften.

Deshalb versucht so mancher gerade in der Fastenzeit, nicht “zu sündigen” und auf die klebrig-sahnige Süßigkeit zu verzichten. Ein nicht nur Sinne-feindliches, sondern aus Kirchensicht auch unnötiges Unterfangen: Denn bereits im 16. Jahrhundert wurde Nonnen und Mönchen Schokolade als Fastenspeise erlaubt. Und das sogar von höchster Stelle – vom Papst persönlich.

1569 hatten die Bischöfe von Mexiko eigens einen Abgeordneten zu Papst Pius V. in den Vatikan gesandt, damit dieser entschied, ob das Getränk mit dem Namen Xocoatl (Schokoladenwasser) in der Fastenzeit getrunken werden dürfe. “Der Papst kostete widerwillig, verzog das Gesicht und sagte: Potus iste non frangit jejunium – Schokolade bricht das Fasten nicht”, berichtet der Kölner Brauchtumsexperte Manfred Becker-Huberti. Denn was Schokoladenfirmen heute erfolgreich als “zarteste Versuchung” verkaufen, ist im puren Zustand weitgehend ungenießbar.

Den leckeren, süßen Schokoladentrunk sollen erst Nonnen eines Klosters im mexikanischen Chiapas erfunden haben. Sie kochten eine Mischung aus gerösteten Kakaobohnen, Vanilleschoten und Rohrzucker zusammen auf. Dieser flüssige Brei mundete den Ordensfrauen so sehr, dass sie ihn auch während der langen Messfeiern tranken. Er behebe “die Schwäche des Magens” und lasse sie deshalb besser beten, argumentierten sie erfolgreich gegenüber dem zuständigen Bischof. Der wollte trotz päpstlichem Freibrief den Kakaogenuss nämlich ganz verbieten – aus Angst, er reize die geschlechtliche Lust der Klosterfrauen.

Und eine gewisse euphorisierende und möglicherweise auch aphrodisierende Wirkung ist der Schokolade tatsächlich nicht abzusprechen. “Die Wohlfühlhormone Phenylalanin und Serotonin machen Schokolade zum Stimmungsaufheller”, erklärt Roland Bitsch, emeritierter Professor für Humanernährung an der Universität Jena, die positive Wirkung der Schokolade. Das lasse nicht nur Frauen in zyklusbedingten Stimmungstiefs verstärkt zur Schokolade greifen. Schon Casanova zog die Schokolade dem Champagner als Aphrodisiakum vor.

Und nicht nur Geist und Seele tut der Verzehr von Schokolade gut. Sie ist auch ein bewährtes Heil- und Hausmittel gegen Krankheiten. “Das liegt an den im Kakao enthaltenen Gerbstoffen, die als wunderbare Prophylaxe gegen Herzkrankheiten und Krebs wirken können”, so Ernährungsexperte Bitsch. Wer allerdings glaube, mit einer “Schokoladendiät” Fettpölsterchen entgegenwirken zu können, sei auf dem Holzweg. “Da nimmt man höchstens ab, weil man nach spätestens drei Tagen die Schokolade nicht mehr sehen kann”, so Bitsch.

In Guatemala fanden Klosterköche schließlich heraus, wie man Schokolade in Form von Tafeln als feste Speise konservieren kann. Dann trat das Kakaoprodukt einen Siegeszug in Europa an – bis es Anfang des 17. Jahrhunderts zum Anlass einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen Jesuiten und Dominikanern wurde. “Während die Jesuiten für die Schokolade eintraten, führten die Dominikaner einen Feldzug dagegen. Erst 1662 fand der Streit ein Ende – durch eine Schrift von Kardinal Brancaccio, zu Gunsten der Schokolade”, so Brauchtumsexperte Becker-Huberti.

Wer will, darf in der Fastenzeit für Schokolade also schon mal schwach werden. Und mit allen Sinnen genießen – statt mit Reue.