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Gedichte beamen einen aus dem Alltag

Zum UNESCO-Welttag der Poesie gibt die Internationale Jugendbibliothek in München am Freitag (21. März) wieder ihre „Lyrik-Empfehlungen“ heraus. Zum zweiten Mal sind auch Tipps für Kinder dabei. Lektorin Ines Galling ist Mitglied der Jury und erklärt, was das besondere an Lyrik ist.

epd: Frau Galling, was kann Lyrik, was Prosa nicht kann?

Galling: Sie kann in wenigen Worten ganze Welten aufmachen. Viele Menschen heute haben wenig Zeit und sind oft abgelenkt. Gedichte sind ein gutes Momentum, um sich rauszubeamen aus dem Alltag: Sie erschaffen neue Welten, ohne dass man sich durch 150 Romanseiten arbeiten muss. Somit eignen sie sich auch für Menschen, die nicht so gern lesen oder sich mit der Konzentration schwertun.

epd: Was sind denn die Kriterien, damit ein Buch in die Lyrik-Empfehlungen aufgenommen wird?

Galling: Die Bücher in den Empfehlungen zeichnen sich alle durch eine verdichtete, rhythmisierte Sprache aus, oft durch Sprachspiel und überraschenden Wortwitz. Reime sind keine Pflicht! Gerade bei der Lyrik für Kinder wird man manchmal zum Um-die-Ecke-denken oder zu weiterem Nachdenken, Beobachten und Wahrnehmen angeregt.

epd: Fast jedes Kind kennt gereimte Bilderbuch-Klassiker wie den Grüffelo. Zum zweiten Mal enthalten die Lyrik-Empfehlungen auch wieder Tipps für Kinder. Warum ist Lyrik für Kinder wichtig?

Galling: Kinder haben Spaß an Reimen, sie denken sich gern neue Wörter aus und haben Lust auf Sprache. Sie bringen da von Haus aus viel mit und sind unvoreingenommener als Erwachsene, die oft in der Schule die Lust an Lyrik verloren haben, weil es da oft nur ums richtige Versmaß und die Interpretation geht.

Die unmittelbare und auch sinnliche Wirkung, die ein Gedicht haben kann, wird so nicht selten kaputt gemacht. Erwachsene müssen erst wieder erleben, dass ein Gedicht vielleicht gar nicht „analytisch“ verstanden, sondern einfach in seiner Sprache und seinem Witz oder seiner Melancholie wahrgenommen werden will. Da können sie sich von Kindern viel abschauen.