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Gedenken an jüdische Opfer in Erfurt und Buchenwald

Politik und Zivilgesellschaft haben am Freitag in Erfurt und in der Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar an den 86. Jahrestag der antisemitischen Pogrome vom 9. November 1938 erinnert. Thüringens amtierender Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnte dabei vor einem Wiedererstarken des Antisemitismus. Was über Jahrzehnte hinweg als selbstverständlich gegolten habe, scheine heute nicht mehr zu gelten, sagte er bei einer zentralen Gedenkfeier in Erfurt. Es mache ihm Angst, wenn offener Antisemitismus in Teilen der Gesellschaft wieder unwidersprochen hingenommen werde.

Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, nannte das Novemberpogrom von 1938 den „Übergang von Diskriminierung zu offenem Terror“. Schramm erinnerte stellvertretend an die 200 jüdischen Männer und Frauen, die damals allein in Erfurt inhaftiert und in Konzentrationslager verschleppt wurden.

Nach dem Überfall der Hamas auf unschuldige Menschen in Israel am 7. Oktober 2023 habe der Appell „Nie wieder“ auch in Deutschland seinen Sinn verloren, sagte Schramm weiter. Hunderte Islamisten hätten aus Freude darüber auf den Straßen getanzt. Dass heute wieder nach Schutz für jüdische Menschen in Deutschland gefragt werde, erschrecke ihn selbst.

Schramm warnte zugleich davor, Muslime unter einen antisemitischen Generalverdacht zu stellen. Wer heute gegen den Islam in Deutschland hetze, tue dies morgen gegenüber den Juden.

Thüringens Landtagspräsident Thadäus König (CDU) sagte, die Pogromnacht sei weit vor 1938 mit Worten, durch Gerüchte und an Stammtischen vorbereitet worden. Daher brauche es heute klare Stoppzeichen gegen Antisemitismus. Sonst seien die Mahnungen von Zeitzeugen vergebens gewesen.

In Weimar erinnerte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora an die Einrichtung des Sonderlagers, in das nach der Pogromnacht fast 10.000 jüdische Männer verschleppt worden waren. Damals seien die Menschenrechte der jüdischen Mitbürger buchstäblich mit Füßen getreten worden, sagte der stellvertretende Stiftungsdirektor Philipp Neumann-Thein. Menschen hätten ihre Nachbarn beraubt. Mit der Kenntnis dieser Verbrechen sei es um so wichtiger, sich auf allen Ebenen für die Werte der liberalen Demokratie in Deutschland einzusetzen.

Ein Vertreter der Stadt Weimar erinnerte an die damaligen Ereignisse in der Klassikerstadt. 1938 habe mit einer Puppenklinik nur noch ein jüdisches Geschäft in Weimar existiert. In der Nacht zum 10. November 1938 sei der Laden von nationalsozialistischen Schlägertrupps zerstört, die Puppen zerschlagen und die betagte Eigentümerin schwer misshandelt worden.

Die SS ließ das Sonderlager im November 1938 eigens neben dem Appellplatz in Buchenwald errichten. Die Gefangenen litten an Hunger und Durst, an Krankheiten, Erfrierungen und unter der Gewalt der Wachmannschaften. 250 Männer verloren ihr Leben.

Wer von den Inhaftierten zustimmte, seinen Besitz aufzugeben und Deutschland zu verlassen, durfte das Sonderlager verlassen. Nach wenigen Wochen war nach Angaben der Stiftung der Großteil der Männer bereits nicht mehr in Buchenwald. Im Februar 1939 wurde das Lager aufgelöst und abgerissen.