Patricia blickt ihr Gegenüber freundlich an, lächelt, hebt die Hand und winkt. Die Geste der freundlichen Begrüßung versteht jeder – auch ohne Worte. „Ich bin gehörlos aufgewachsen und habe mit unseren Kindern von Anfang an in Gebärdensprache kommuniziert“, erzählt die 39-Jährige. Für sie sei es das Natürlichste der Welt, gebärdet sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Bei dem Gespräch übersetzt Stefanie Lunczer von der Beratungsstelle für gehörlose und schwerhörige Menschen der Paulinenpflege Winnenden.
Ihre Kinder, der zwölfjährige Felian und die achtjährige Melina, sind hörend – wie 90 Prozent der Kinder gehörloser Eltern. Wie in vielen Familien ist der Alltag gut durchgetaktet: Patricia arbeitet vormittags als Industriebuchbinderin, ihr Ehemann Roman ist im Schicht-Betrieb als Zerspanungsmechaniker tätig. Er ist schwerhörig und kann als solcher auch die Lautsprache sprechen.
„Eigentlich ist bei uns alles wie bei anderen, außer, dass meine Mama nicht hört“, findet Felian. Auch seine Mutter fixiert sich nicht auf ihre Einschränkungen: Absprachen funktionierten über Facetime, E-Mail oder WhatsApp recht gut. Ihre Smartwatch am Handgelenk sei auf Vibration eingestellt.
Allerdings könne sie Musik nur fühlen und nur über den Umweg eines Telefondolmetschdienstes telefonieren, erzählt sie. Für Elterngespräche und Arzttermine bestelle sie einen Gebärdensprache-Dolmetscher. „Das bedeutet schon einiges an organisatorischem Aufwand“, so die Frau mit den langen Haaren.
Sechs bis acht Wochen Vorlauf werde für einen Termin benötigt. Auch die Übernahme der Kosten sei zu klären – bei Arztbesuchen ist die Krankenkasse zuständig, bei Elternabenden die Dolmetschervermittlungszentrale. Wenn kurzfristig etwas ansteht – etwa bei einer akuten Erkrankung ein Besuch beim Kinderarzt – behilft sie sich mit einem einfachen schriftlichen Austausch.
Oft haben Felian und Melina Besuch von Gleichaltrigen. „Die Freundinnen und Freunde der Kinder stellen sich gut auf meine Situation ein, verhalten sich respektvoll, nehmen Augenkontakt zu mir auf“, gebärdet Patricia. Das finde sie sehr schön. Oft seien Jungen und Mädchen daran interessiert, wie Gebärdensprache funktioniert.
Es mal selbst auszuprobieren, dazu regen auch die Plakate mit dem Fingeralphabet in den Zimmern ihrer Kinder an. „Schon im Kindergarten wurde Melina angefragt, die Wochentage in Gebärdensprache zu zeigen“, erzählt Patricia. Sie würde es begrüßen, wenn man in der Schule ein paar Gebärden lerne.
Felian erzählt, dass es beim Vokabel lernen für ihn ein Vorteil sei, dass er die Gebärde zu einem fremdsprachigen Wort kennen.„ Ich habe damit eine bildliche Vorstellung, die mir hilft, es mir besser zu merken“, erklärt er.