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Friedenspreisträgerin Applebaum fordert transparente Finanzwelt

Die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels Anne Applebaum hat Transparenz in der Finanzwelt gefordert. „Es gibt eine Symbiose zwischen der westlichen Geschäftswelt, die nicht nach der Herkunft von Geld fragt, und dem Geld aus Autokratien“, sagte die US-amerikanisch-polnische Historikerin und Publizistin am Freitag auf der Frankfurter Buchmesse. Neben der regulierten Wirtschaft gebe es eine alternative Schattenwirtschaft, in die unkontrolliert und unversteuert Schwarzgeld aus Autokratien ströme und dort arbeite. Dieses Geld werde über Briefkastenfirmen gelenkt und auch genutzt, um Demokratien zu untergraben. Applebaum nannte das in den USA aufgedeckte Beispiel der verborgenen Finanzierung eines rechtsradikalen Rundfunksenders in Tennessee durch den russischen Propagandasender Russia Today.

Es sei ein Irrtum im Westen gewesen, dass Wirtschaft unpolitisch sei, sagte die Friedenspreisträgerin. Autokratische Herrscher begründeten ihre Stärke unter anderem dadurch, dass sie die Kontrolle über große Unternehmen übernähmen und politische und wirtschaftliche Macht in ihrer Hand konzentrierten. So habe der russische Präsident Wladimir Putin schon bald nach seinem Machtantritt danach gestrebt, den Gas- und Ölkonzern Gasprom der russischen Regierung zu unterstellen. Die Northstream-Gasleitungen von Russland nach Deutschland seien kein wirtschaftliches, sondern ein politisches Projekt gewesen, um die Gasleitungen durch die Ukraine zu umgehen. Auch China habe eine politische Wirtschaftsstrategie, um Technologie vom Westen zu übernehmen und dadurch etwa einen Überwachungsstaat aufzubauen.

„Es gibt kein Rezept für Frieden“, sagte Applebaum. Frieden gebe es, wenn Staaten offene Beziehungen pflegten. Die verschiedenen Kriege in der Gegenwart brauchten verschiedene Antworten. Gegenüber Russland brauche Europa Abschreckung. „Wir haben darin versagt, Russland vor einem Angriff auf die Ukraine abzuschrecken“, sagte sie. Im Nahen Osten müsse Iran davon überzeugt werden, die Existenz Israels anzuerkennen, und Israel, die Errichtung von Palästina anzuerkennen. Im Sudankrieg müsse die Diplomatie aktiv werden. Allerdings gebe es Regimes, die aus politischen oder wirtschaftlichen Zielen Konflikte verursachten, die nicht durch Gespräche gelöst werden könnten.

„Uns beeindruckt die tiefgehende Analyse Applebaums“, sagte die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs. „Wir glaubten immer, dass sich die Demokratie durchsetzt, weil sie die bessere Staatsform ist.“ Applebaum öffne die Augen dafür, was in autokratischen Systemen vor sich gehe und welche Gefahren von ihnen für die Demokratien drohten. Die Expertin für osteuropäische Geschichte erhält an diesem Sonntag in der Frankfurter Paulskirche den mit 25.000 Euro dotierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen.