“Frage Dich, was Du für Dein Land tun kannst” – dieser Aufruf geht auf den früheren US-Präsidenten John F. Kennedy zurück und er passt gut zur Lebenseinstellung von Jürgen Sauer (60) im saarländischen Schwalbach. Er war zuletzt Chef eines deutschlandweiten Teams bei einem großen Bankenkonzern. Nach vielen Jahren in der Finanzbranche entschied er sich im Jahr 2023, den Bundesfreiwilligendienst zu leisten.
“Ich habe mich daran erinnert, wie erfüllend der Zivildienst für mich als junger Mensch war”, sagt der zweifache Familienvater. “Natürlich ist der einige Jahrzehnte her gewesen, aber ich kann mich noch genau daran erinnern.” Er war damals bei einem sozialen Hilfsdienst tätig und unterstützte Menschen in ihrem Alltag.
Rückkehr zur alten Regelung: Wehrpflicht oder Gesellschaftsjahr?
Und er entschied sich damit gegen den Wehrdienst. Bis 2011 galt in Deutschland die Wehrpflicht für Männer. Heute wird eine Rückkehr zu dieser Regelung diskutiert. Andere Stimmen, etwa der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck, befürworten ein sogenanntes Gesellschaftsjahr.

Von einem Demokratiejahr spricht auch die rheinland-pfälzische SPD-Chefin Sabine Bätzing-Lichtenthäler. “Dies könnten Frauen und Männer dann beim Militär oder auch beispielsweise in sozialer Arbeit ableisten”, sagte die Politikerin.
Für Pensionär Sauer wird Einsatzstelle extra geschaffen
Während die Politik seit Jahren über neue Modelle nachdenkt, hat sich Pensionär Sauer über das Programm Bundesfreiwilligendienst nach neuen Aufgaben umgeschaut. “Für mich war klar, wenn ich aus dem Berufsleben rausgehe, dann tue ich etwas für die Gesellschaft”, berichtet er. Allerdings gab es seine Stelle zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Der Kirchengemeinde Heilig Kreuz in Schwalbach, rund 20 Kilometer von der Landhauptstadt Saarbrücken entfernt, fehlte damals eine Einsatzstelle – also wurde eine geschaffen. “Ich habe dann einfach schon mal angefangen und als es diese Stelle 2024 gab, konnte ich sie antreten”, erklärt der Postoberrat am Schreibtisch im Pfarrbüro.
33.136 Menschen leisten Bundesfreiwilligendienst
Sein duales Studium sei vergleichbar mit dem bekannteren Abschluss zum Diplomverwaltungswirt gewesen. Mit seiner Expertise unterstützte er nun das Team der Pfarrgemeinde bei Verwaltungsarbeiten. “Ich gelte hier manchmal als der Techniker, was ich natürlich nicht bin”, sagt er und lacht.
Derzeit leisten bundesweit 33.136 Menschen einen Bundesfreiwilligendienst. Das Bistum Trier etwa hat im April 2025 im Freiwilligen Sozialen Jahr und dem Bundesfreiwilligendienst zusammen insgesamt 350 Freiwillige – zwei Drittel von ihnen in den Bereichen Kitas, Klinken und Altenpflege.
Forderung nach besserem Zugang zu Freiwilligendiensten
Projektleiterin Susanne Kiefer sieht die politischen Forderungen nach einem Pflichtjahr nur für junge Menschen kritisch. “Generation gegen Generation halte ich nicht für zielführend”, sagt sie. “Es gibt Menschen jeden Alters, die sich engagieren. Warum will man das gegeneinander abgrenzen?” Es stelle sich die Frage nach den Gründen für eine solche Regelung, wenn junge Menschen beispielsweise bereits mit den Folgen des Klimawandels oder der Unsicherheit bei der Rente belastet seien.
Die Expertin verweist auf das Positionspapier “Freiwilligendienste 2030”, mit dem Träger sich bundesweit in die politische Diskussion einbrachten. Sie wollen ein Angebot für alle Menschen, die sich freiwillig engagieren möchten, und sie fordern einen besseren Zugang zu den Freiwilligendiensten.
Ex-Manager Sauer wirkt an neuem Schutzkonzept mit
Jürgen Sauer wirkte unterdessen als Freiwilliger in den vergangenen Monaten an der Optimierung des Online-Auftritts der Kirche und einer neuen grafischen Gestaltung ihres Pfarrbriefs mit. 20 Stunden pro Woche leistete er bis Ende März seinen Dienst und erhielt etwas mehr als 200 Euro als Aufwandsentschädigung dafür. Neben Optimierungen bei der Internetanbindung und bei Büroabläufen brachte er sich auch bei der Erstellung eines Schutzkonzeptes ein.
Damit sind verbesserte Strukturen in allen Pfarrgemeinden des Trierer Bistums gemeint, die vor sexuellem Missbrauch im Bereich der Kirche schützen sollen. Eine Arbeit, welche auch der Trierer Bischof Stephan Ackermann zuletzt im April bei einer Pressekonferenz besonders hervorhob.
Freiwilligendienst: Tage mit Sinn gefüllt
“Immer mehr pastorale Räume und Pfarreien haben Konzepte vorlegt”, würdigte der Bischof. Dadurch sei das Thema breit in der Fläche verankert worden. “Es gehört zur Professionalität dazu, ein sicherer Raum insbesondere für Kinder und Jugendliche zu sein.”
Auch Sauer hat seinen kleinen Teil dazu beigetragen – und er ist davon überzeugt, dass ein solcher Freiwilligendienst für andere ältere Menschen ebenfalls Erfüllung bieten kann. “Ich kann das Ergebnis sehen, ich kann die Freude spüren und es hilft mir, weil ich den Tag mit etwas gestalte, das Sinn ergibt.”