Artikel teilen:

Frauen bleiben in der klassischen Musik unterrepräsentiert

Komponistinnen wie Francesca Caccini blieben in der Musikgeschichte oft unsichtbar. Während Werke von Männern dominieren, kämpfen Frauen um Anerkennung. Ein Blick auf vergessene Klänge und neue Entwicklungen.

Der polnische Kronprinz Wladyslaw Wasa war zur Karnevalszeit 1625 zu Besuch am Hof der Medici in Florenz. Die Großherzogin Maria Magdalena wollte ihm zu Ehren ein opulentes Spektakel veranstalten und wandte sich daher an ihre Hofmusikerin Francesca Caccini. Diese lieferte, inklusive Pferdeballett als krönenden Abschluss.

Caccinis Werk “La liberazione di Ruggiero”, uraufgeführt am 2. oder 3. Februar 1625, gilt als die älteste von einer Frau komponierte und erhaltene Oper.

Als Zeitgenossin des Dichters William Shakespeare und des Musikers Claudio Monteverdi, als Kollegin des Astronomen Galileo Galilei und der Malerin Artemisia Gentileschi am Hof der Medici war Caccini dort 30 Jahre lang eine dominierende musikalische Figur, wie die Musikwissenschaftlerin Suzanne Cusick sagt. Dafür wurde Caccini sehr gut bezahlt. Heute ist sie nur noch Spezialisten bekannt.

Hand auf’s Herz: Wer kennt den Namen einer Komponistin? Sei es der einer zeitgenössischen oder historischen Musikerin? Wer weiß schon, dass Frauen Opern, Symphonien und Konzerte komponiert haben? Aber wie sollen sie auch bekannt sein, wenn in den Opernhäusern und Konzertsälen der Welt in der Regel die Werke von Männern gespielt werden.

Die aktuellen Statistiken des Online-Portals für Klassische Musik, bachtrack.com, zeigen ein eindeutiges Bild. Bachtrack.com ist die nach eigenen Angaben größte Online-Suchmaschine für Veranstaltungen klassischer Musik.

Die meistaufgeführten Komponisten sind Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), dann folgen Ludwig van Beethoven (1770-1827), Johann Sebastian Bach (1685-1750), Johannes Brahms (1833-1897) und Franz Schubert (1797-1828). Eine Komponistin schaffte es nicht in die Top Ten der aktuellen bachtrack.com-Statistik.

Insofern war es geradezu eine Ausnahme, dass das Ensemble Concerto Köln unter der Leitung von Jakob Lehmann im Dezember 2024 in der Kölner Philharmonie die Werke zweier Komponistinnen aufführten, nämlich von der Französin Louise Farrenc (1804-1875) und von Emilie Mayer (1812-1883). Als Zugabe brachten sie ein Stück von Mélanie Bonis (1858-1937).

Anders sieht es in der aktuellen Statistik von bachtrack.com aus, wenn es um die meistgespielten lebenden Komponisten geht. Zwar werden auch die ersten drei Plätze von Männern belegt, nämlich John Williams, Arvo Pärt und Philip Glass, doch auf sie folgt auf Platz vier eine Frau: Caroline Shaw aus den USA.

Ihr Werk “Entr’acte”, das es in Versionen für Streichquartett und Streichorchester gebe, sei 2024 insgesamt 30 Mal aufgeführt und von prominenten Dirigentinnen und Dirigenten sowie Streichquartetten in aller Welt übernommen worden, so bachtrack.com. Das Klassische-Musik-Portal weist darauf hin, dass dieses einzelne Werk im vergangenen Jahr häufiger aufgeführt wurde als alle anderen Komponistinnen in der Bachtrack-Liste 2013 zusammen.

Es hat sich also was getan, aber reicht das aus? “Es ist fraglich, ob sich die beobachtete Zunahme der Gleichberechtigung von Interpret*innen und Komponist*innen fortsetzen wird, und während diese Zunahme an einigen Orten bemerkenswert ist, ist sie an anderen nur marginal”, schreibt bachtrack.com in der Auswertung der Statistik.

Dass die Wiener Philharmoniker zum ersten Mal bei ihrem Neujahrskonzert 2025 das Werk einer Komponistin spielten, dürfte eher als Ablenkungsmanöver gedient haben. Denn seit Jahren sieht sich das Spitzenorchester immer wieder mit der Frage konfrontiert, wann denn endlich eine Dirigentin das weltweit beachtete Neujahrskonzert leiten werde.

Unter dem Motto “Kein Konzert ohne Komponistin!” hat das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin 2023 eine Konzertsaison geplant. “Lernen Sie mit uns Klangwelten vom 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart neu kennen. Musik, die Sie anderswo kaum zu hören bekommen. Musik, deren Entdeckung längst überfällig ist”, versprach das Orchester.

Zwar häuften sich in den Sozialen Medien durchaus negative Kommentare, aber: “Wir haben die beste Auslastung ever”, sagte Orchesterdirektor Thomas Schmidt-Ott im Nachgang. Das Berliner Symphonie-Orchester plant, auch weiterhin Komponistinnen in ihrem Programm zu spielen.