Die Debatte um Einwanderung ist seit Jahren ein Dauerbrenner, derzeit schlägt sie besonders hohe Wellen. Dabei sieht ein Experte auch andere Probleme, die aus dem Blick zu geraten drohten.
Der ständige Verweis auf die Migrationspolitik lenkt nach Worten eines Forschers “von den großen sozialen Fragen unserer Zeit” ab. Vom Scheitern “simpel gestrickter Sofortmaßnahmen” profitierten indes “diejenigen, die das politische System sowieso auf den Kopf stellen wollen”, warnt Hannes Schammann in einem Gastbeitrag in der “Süddeutschen Zeitung” (Wochenende).
Konkret sei es, so der Forscher, durchaus möglich, dauerhafte Grenzkontrollen wiedereinzuführen und alle Menschen ohne Visum zurückzuweisen, wie es die Union zuletzt vorgeschlagen hatte: Deutschland könne den Artikel 16a – “Politisch Verfolgte genießen Asylrecht” – aus dem Grundgesetz streichen, aus der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention austreten sowie europäisches Recht ignorieren. Dies könne allerdings Erschwernisse im Handel nach sich ziehen.
Zudem wäre es sinnvoller, betont Schammann, “internationales Recht zu stärken, gerade wenn man Flüchtlingszahlen drücken will. Die Konzentration auf kurzfristige Deals sorgt nämlich für eine weniger verlässliche Welt. Das Risiko für Krisen steigt – und damit potenziell auch die Zahl der Schutzsuchenden”.
Auch könnten harte Maßnahmen angesichts der “grünen Grenze” dazu beitragen, “dass Menschen über zunehmende Schleuserkriminalität irregulär nach Deutschland einreisen, sich dann aber nicht bei den Behörden melden. Damit wird Irregularität zum Dauerzustand, Schattenwirtschaft floriert, Staatsversagen droht in zahlreichen Bereichen”, so der Experte. Legale Zugangswege müssten daher mitgedacht werden, schreibt der Hildesheimer Professor.
Er verweist zudem auf die 220.000 Ausreisepflichtigen hierzulande, denen drei Millionen Menschen gegenüberstünden, die legal Schutz suchten, zudem andere Migrationsgruppen wie Studierende, Fachkräfte oder deren Kinder. Auch die Kommunen wünschten sich eine gesicherte Integrationsarbeit. Fraglich sei, wie die Union dies erreichen wolle – und was deren Pläne für die Suche nach Fachkräften bedeuteten.