Bescherung für die Alte Pinakothek: Ein Doppelbildnis aus ihrem Bestand entpuppt sich nach langjährigen Untersuchungen als Arbeit des italienischen Renaissancekünstlers Giorgione.
Ein Forscherteam der Alten Pinakothek und des Doerner Instituts in München hat nach eigenen Angaben einen spektakulären Fund gemacht. Nach umfassenden historischen und technischen Untersuchungen konnte nun die Erkenntnis untermauert werden, dass das rätselhafte Doppelbildnis von Giorgio da Castelfranco (1474/74-1510), genannt Giorgione, stammt, wie die Pinakothek am Mittwoch mitteilte. Damit handle es sich um eines der so raren Werke des jung verstorbenen Ausnahmetalents, das die Malkunst der Renaissance revolutioniert habe. Das Bild war bis 2022 in der Münchner Residenz ausgestellt und soll nun dauerhaft in Alten Pinakothek zu sehen sein.
Für die Kunstgeschichte der italienischen Renaissancemalerei sei diese Entdeckung nicht weniger als eine Sensation, heißt es in der Mitteilung. Der berühmte Künstlerbiograf Giorgio Vasari hatte das Gemälde 1568 im Palazzo der Florentiner Bankiersfamilie Borgherini gesehen und als Bildnis des jungen Giovanni Borgherini mit seinem Lehrer aus Venedig beschrieben.
Tatsächlich entspreche der Charakterkopf des porträtierten Humanisten dem überlieferten Aussehen des venezianischen Universalgelehrten Trifone Gabriele, zu dessen Schülern Borgherini nachweislich zählte, heißt es. Mit Astrolabium und Zirkel demonstriere der auch als Lehrmeister der Astronomie und Kosmologie geltende Gelehrte im Münchner Porträt, wie sich Himmel und Erde vermessen ließen. Der jugendliche Giovanni mit seinen weichen Locken und den dunklen Augen entspreche im Gegensatz dazu dem Ideal musisch-intellektueller Sehnsucht.
Mittels Untersuchungen hätten die vom Künstler verwendeten Materialien bestimmt werden können, deren Vielfalt das breite Angebot venezianischer Farbenhändler widerspiegele, heißt es. Darüber hinaus hätten sie einen vielschichtigen Schaffensprozess ans Licht gebracht. So seien unter der sichtbaren Darstellung drei weitere Kompositionen aufgedeckt worden: eine Pinselzeichnung der biblischen Szene des zwölfjährigen Jesus unter den Schriftgelehrten, darüber eine an Giorgiones berühmte “Tempesta” erinnernde Landschaftsszene sowie zuletzt das Bildnis einer kostbar gekleideten Figur.
Die Bildfindungen zeugen den Angaben zufolge von der Experimentierfreude des Malers. Dieser trat mit seiner virtuosen Pinselzeichnung in den Wettstreit zu Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer. Die Freude bei Andreas Schumacher, Sammlungsleiter für die italienische Malerei an der Alten Pinakothek, ist die Freude groß: “Ein Giorgione unterm Weihnachtsbaum ist mehr als ein 6er im Lotto!”.