Omas gegen Rechts oder ein Kletterkurs für junge Migranten: Städte konnten dafür in den vergangenen zwölf Jahren Gelder aus einem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ verteilen. Aber in ganz Bayern erhielten Gemeinden in den vergangenen Tagen die Hiobsbotschaft, die Förderung gibt es nicht weiter.
Darüber ist Martina Mittenhuber richtig verärgert: „Das werden einige Projekte nicht überleben“, sagt die Leiterin des Nürnberger Menschenrechtsbüros voraus. Der Stadt Nürnberg werden über 110.000 Euro für Aktionen und Vereine gegen Rassismus, etwa die Integrations-Theaterworkshops oder Radiosendungen für marginalisierte Minderheiten, fehlen.
„Wir wurden immer wieder für Vorzeigeprojekte hochgelobt und nun geht das alles den Bach runter“, schimpft Mittenhuber. Es sei zwar abzusehen gewesen, „dass nicht mehr alle zum Zug kommen“, sagt sie, kann aber trotzdem nur den Kopf schütteln, dass die Mittel in einer Zeit gestrichen werden, in der alle so viel über Demokratieförderung sprechen.
Absagen haben auch die Städte Würzburg, Bamberg, Bayreuth und Augsburg und die Landkreise Bamberg, Bayreuth und Haßberge erhalten. Die Oberbürgermeister und Landräte schrieben am Donnerstag einen offenen Brief an den Bundespräsidenten, das Kanzleramt, das Familienministerium und die Ampel-Fraktionen. Die „abrupt“ gestrichene Förderung bedrohe nicht nur das bürgerliche Engagement vor Ort, „sondern auch den sozialen Zusammenhalt in unseren Kommunen“. Die lokalen Strukturen, auf denen eine starke, widerstandsfähige Demokratie ruhe, seien gefährdet, „und das in einer Zeit, in der wir diese Strukturen dringender denn je benötigen“. Die Unterzeichner verweisen auf zunehmende gesellschaftliche Spannungen und darauf, dass autoritär-populistische Kräfte versuchten, demokratische Werte zu untergraben.
Zweieinhalb Monate vor Jahresbeginn vom Ende der Förderung erfahren zu haben, hat besonders verärgert. „Wir haben keinen Gedanken daran verschwendet, dass das enden könnte, weil wir im Frühjahr noch positive Signale bekommen haben“, sagt Mittenhuber. Gleiches berichten ihre Kollegen aus anderen Kommunen. „Eine solch kurzfristige Mitteilung zieht der wichtigen Netzwerkstruktur und den vielen für die Demokratie engagierten Organisationen in Würzburg für sämtliche Formate des nächsten Jahres regelrecht den Boden unter den Füßen weg“, sagt die Sozialreferentin von Würzburg, Hülya Düber.
Mit Projekten, die aus dem Programm gefördert worden waren, habe man in der letzten Förderperiode über 100.000 Menschen erreicht, schätzt die Sprecherin der Stadt Würzburg, Claudia Lother. „Omas gegen Rechts“, eine Antirassismus-Bücherkiste für Schulen, die Organisatoren einer Großdemonstration gegen Rechtsextremismus, „Hermine“, der Verein für Menschen in Not – sie alle erhielten Unterstützung. Für solche mehrjährigen Aktionen sehe es in Zukunft düster aus.
Stephan Doll, Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus Nürnberg, ist ebenfalls entsetzt. „Der Schock und der Frust sitzen tief vor Ort“, stellt er fest. „In einer Zeit, in der Rechtsextremisten die Demokratie, die Freiheit und die Menschenrechte täglich bedrohen“, bedeuteten die Absagen der Förderung erhebliche Einschnitte für die finanzielle Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements.
In langen Jahren aufgebaute Strukturen fallen weg, fürchten die Beteiligten. Engagierte Menschen aus der Stadtgesellschaft seien in Begleitausschüssen dafür zuständig, zu entscheiden, wie die Gelder verteilt werden. In Nürnberg gibt es sogar einen Jugendausschuss, der autark über Jugendprojekte entscheiden durfte. Mal 300 Euro für einen Kletterkurs mit Neuzugewanderten, mal ein paar hundert Euro für den queeren Verein Fliederlich.
Auch hauptamtliche Kräfte müssen jetzt um ihre Stellen bangen. In Nürnberg werden zum Jahresende zwei Halbtagskräfte, die das Programm vor Ort organisatorisch umsetzten, arbeitslos, sagt Mittenhuber.
Aber das Bundesprogramm hat nicht nur Absagen versendet. Für einige Städte und Landkreise geht es weiter, andere sind sogar von einer Zusage überrascht worden. Es gibt Landkreise, die sich jetzt bei denen, die leer ausgegangen sind und langjährige Erfahrung haben, Hilfe holen müssen, hat der epd erfahren. „Die wissen noch gar nicht, wie sie die Gelder ausgeben sollen“, sagte die Vertreterin einer Partnerschaftsorganisation.
Eine Anfrage des epd an das Bundesfamilienministerium, nach welchen Kriterien Ab- und Zusagen für das Programm entschieden wurden, blieb zunächst unbeantwortet. (00/3189/24.10.2024)