Arbeitsmarktexperten sehen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Das Anfang 2021 in Kraft getretene Arbeitsschutzkontrollgesetz mit dem Verbot von Werkverträgen habe sich grundsätzlich bewährt, erklärten Wissenschaftler des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch in Düsseldorf. Für die nun veröffentlichte Studie untersuchten die Autoren Serife Erol und Thorsten Schulten den Angaben nach 14 Betriebe, darunter Schlachtereien und verarbeitende Betriebe, und führten 85 Interviews mit Betriebsräten, Mitgliedern des Managements, Gewerkschaften, Beratungsstellen und Kontrollbehörden.
Vor Einführung des Arbeitsschutzkontrollgesetzes seien rund 50 Prozent der Beschäftigten in den Schlachthöfen und Fleischfabriken sogenannte Werkvertragsarbeitnehmer gewesen, die über Subunternehmen beschäftigt waren, wie die WSI-Studienautoren erläutern. Mit den Corona-Ausbrüchen sei die Branche samt Arbeits- und Wohnverhältnissen von Arbeitsmigranten in die öffentliche Wahrnehmung gerückt.
Durch den gesetzlichen Eingriff mit dem Ziel einer Neuregulierung der Branche und ihren Beschäftigungsmodellen seien dann nahezu alle ehemaligen Werkvertragsbeschäftigten von den Unternehmen übernommen worden, bilanziert die Erhebung. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei in einem Jahr, von 2020 bis 2021, um 18 Prozent von 128.400 auf 151.500 Beschäftigte gestiegen, erklärte das WSI mit Verweis auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes.
Mit der Übernahme der ehemals Werkvertragsbeschäftigten sei die Einhaltung gesetzlicher Standards auf die Unternehmen übergegangen, hieß es. Mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz sei zudem eine elektronische Arbeitszeiterfassung verpflichtend geworden. Auch die Kontrolldichte durch Behörden und Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der überwiegend osteuropäischen Arbeitsmigranten sei erhöht worden. Allerdings seien die Kontrollen nach 2021 wieder um 15 Prozent zurückgegangen. Durch die Bereitstellung werkseigener Wohnungen, vor allem von großen Unternehmen, gehörten die früher überteuerten Mieten für Unterkünfte weitgehend der Vergangenheit an.
Trotz der Verbesserungen kritisieren die WSI-Forscher, dass die Fleischindustrie weiterhin zu den ausgeprägten Niedriglohnbranchen zähle. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit erhielten im Jahr 2022 46,5 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten nur einen Niedriglohn, also einen Lohn unterhalb von zwei Dritteln des mittleren Lohns in Deutschland. Bei den ausländischen Beschäftigten war der Anteil der Niedriglöhner mit rund 55 Prozent noch höher. Zwar sei der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten gegenüber den Vorjahren zurückgegangen, stagniere aber auf einem „extrem hohen Niveau“. Die WSI-Forscher kritisierten, dass nach einer zeitweiligen Bereitschaft von Unternehmen, über einen neuen, branchenweiten Tarifvertrag zu verhandeln, das Interesse wieder erlahmt sei.