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FDP-Chef will ans Bürgergeld ran – SPD und Grüne halten dagegen

Mehr fordern oder mehr fördern? Wo da die richtige Balance im Umgang mit Arbeitsuchenden liegt, darüber sind die Ampel-Parteien unterschiedlicher Meinung.

FDP-Chef Christian Lindner hat sich Forderungen nach einer Überarbeitung des Bürgergelds angeschlossen. “Wir müssen alles unternehmen, dass Menschen, die arbeiten können, auch tatsächlich arbeiten”, sagte er der “Rheinischen Post” (Mittwoch). Das Bürgergeld sei kein bedingungsloses Grundeinkommen. In den vergangenen Jahren sei zu wenig an den vorhandenen Stellschrauben gedreht worden – “von der Frage der Zumutbarkeit angebotener Arbeit über Sanktionen bis hin zu Arbeitsgelegenheiten wie den Ein-Euro-Jobs”.

Davon habe man zu wenig Gebrauch gemacht, “obwohl es dem allgemeinen Gerechtigkeitsgefühl entspricht, dass eine Gegenleistung für Sozialhilfe verlangt wird. Und obwohl Ein-Euro-Jobs den Alltag strukturieren und eine Brücke in den regulären Arbeitsmarkt bilden.” Das Bürgergeld werde von einer Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht empfunden, so Lindner. “Und zwar nicht, weil es zu niedrig ist, sondern weil es zu wenig Anreize zur Arbeitsaufnahme enthält. Es ist ein Beitrag zum sozialen Frieden, hier Fehlentwicklungen zu korrigieren.”

Das Bürgergeld soll seit 2023 denjenigen ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen decken können. Seit Januar 2024 erhält ein alleinstehender Erwachsener 563 Euro im Monat.

Das SPD-geführte Arbeits- und Sozialministerium reagierte reserviert. Eine Sprecherin sagte, man könne mit dem Bürgergeld keine großen Sprünge machen. Es sei kein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern werde bei nachgewiesener Hilfsbedürftigkeit gezahlt. Zugleich habe die Regierung die Weiterbildungsmöglichkeiten stark verbessert, um Menschen nachhaltig in Arbeit zu bringen. Die Sprecherin verwies zudem darauf, dass jüngst schärfere Sanktionen für sogenannte Totalverweigerer eingeführt worden seien. Arbeitsuchenden, die eine angebotene zumutbare Arbeit verweigern, kann das Bürgergeld demnach für bis zu zwei Monate gestrichen werden. Weitere Änderungen seien derzeit nicht geplant.

Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sieht auch keinen Spielraum für noch schärfere Sanktionen. “Bei den Sanktionen hat das Bundesverfassungsgericht uns vorgegeben: bis zu 30 Prozent. Und diesen Rahmen haben wir vollständig ausgeschöpft”, sagte der Bundestagsabgeordnete bei RTL/ntv. Er verteidigte auch die Höhe des Bürgergelds: “Wenn man den Lohnabstand erhöhen möchte, dann müssen wir auf die Löhne schauen.” Die Grünen wollen unter anderem den Mindestlohn erhöhen. “Das würde auch dafür sorgen, dass wir viel stärkere Anreize haben, in Arbeit zu gehen”, so Audretsch.

Der Sozialverband Deutschland kritisierte den Vorstoß des Finanzministers deutlich. “Die Berechnung der Höhe des Bürgergeldes folgt einem gesetzlich festgelegten Mechanismus und wird nicht in ‘Polit-Talkshows’ bestimmt oder von Wahlen abhängig gemacht”, sagte die Vorsitzende Michaela Engelmeier den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. “Durch solche ‘Vorschläge’ wird nur die Bevölkerung gegeneinander aufgehetzt – das ist unanständig und spaltet unsere Gesellschaft.” Der Verband fordert einen Mindestlohn von mindestens 15,02 Euro. Derzeit liegt er bei 12,41 Euro in der Stunde.

Im März hatte sich die CDU dafür ausgesprochen, das Bürgergeld durch eine “Neue Grundsicherung” abzulösen. Sogenannte Totalverweigerer benötigen aus Sicht der Union etwa keine Unterstützung.