Fachleute warnen vor russischen Desinformationskampagnen auf der bei Jugendlichen beliebten Videoplattform TikTok. „Mit kurzen und vermeintlich unterhaltsamen Clips haben sie insbesondere junge Menschen im Visier“, sagte Julia Smirnova, Senior Analyst beim „Institute for Strategic Dialogue“ (ISD), den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Als Beispiel nannte sie das Format „Bloß mit Biss“ der Medienmarke „Satellit“, dem auf TikTok insgesamt 18.000 Menschen folgen und dessen Video-Clips mehrere Millionen Aufrufe erhalten.
Die Nichtregierungsorganisation wertete den Kurzfilm-Kanal über mehrere Monate aus und ordnet die Videos russischen Staatsmedien zu. „Die Kampagne zeigt, wie einfach und ungehindert russische Staatsmedien weiterhin auf populären Social-Media-Plattformen wie YouTube und TikTok agieren können“, erklärte die Russland-Expertin Smirnova. Das Format richtet sich nach Einschätzung von ISD meist gegen die deutsche Regierung. Zentrales Thema sei es, „ökonomische Angst“ etwa durch die Energiekrise zu erzeugen.
Strengere EU-Sanktionen gegen russische Staatsmedien
Im Visier der Macher von „Bloß mit Biss“ sind den Angaben zufolge neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor allem Politikerinnen und Politiker der Grünen. Die Angriffe auf Grünen-Politikerinnen bedienten sexistische Stereotypen, werteten sie als inkompetent ab oder fokussierten auf ihr Aussehen, sagte ISD-Analystin Smirnova. „Eine besonders perfide Taktik, die wir von rechten frauenfeindlichen Netzwerken kennen.“ Smirnova forderte von Social-Media-Plattformen, die EU-Sanktionen gegen russische Staatsmedien konsequent durchsetzen und Versuche der Umgehung unterbinden.
Auch das Bundesinnenministerium warnt vor Desinformationskampagnen im Netz, die die öffentliche Meinung in Deutschland beeinflussen oder etwaige Spaltungslinien in der Gesellschaft verschärfen wollten. Eine Ministeriumssprecherin sagte den Funke-Zeitungen, für die Verbreitung seiner Narrative in Deutschland greife Russland auf ein komplexes Netzwerk von staatlichen oder staatlich gesteuerten Akteuren zurück, das unter anderem aus deutschsprachigen russischen Staatsmedien, politischen Organisationen, Kulturvereinen, Oligarchen, Stiftungen und Denkfabriken bestehe.