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Experten: Selbstregulierung der Kunst versagt bei Judenhass

Experten haben strukturelle Maßnahmen beim Kampf gegen Antisemitismus in der Kunst- und Kulturszene verlangt. Die Selbstregulierung funktioniere nicht, konstatierte der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, am Mittwoch bei einer Anhörung des Kulturausschusses im Bundestag in Berlin. Nach den Worten des Geschäftsführers des Zentralrats der Juden in Deutschland, Daniel Botmann, hat sich die Kunstwelt im Gefolge des Terrorangriffs der Hamas vom 7. Oktober in großen Teilen “zu einem unsicheren Ort für Juden” entwickelt.

Der Diskurs, der von großen Teilen der Kulturszene ausgehe, sei “absolut vergiftet”, selbst wenn der Hass teilweise “kulturviert verpackt” werde, sagte Klein. Er betonte gleichzeitig, dass es keine ernstzunehmende Stimme gebe, die versuche, Kritik an israelischer Politik zu zensieren. Er verlangte aber bei “gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit” eine “Rote Linie”, da sie niemals mit öffentlichen Geldern gefördert werden dürfe.

Eine besondere Verantwortung sah Klein bei den Kuratoren. Er beklagte hier eine erstaunliche Unfähigkeit zur Antisemitismuskritik. Hierauf müsse künftig bei Neubesetzungen geachtet werden. Ferner verlangte er Angebote zur Aufklärung und Weiterbildung.

Alle Experten beklagten zugleich fehlende Solidarität mit Israel und den jüdischen Opfern nach dem 7. Oktober. Deutsche Kulturinstitutionen seien hier “oft durch ihre lange Abwesenheit und Schwammigkeit aufgefallen”, sagte etwa Botmann. Er verlangte eine selbstkritische Aufarbeitung der NS-Geschichte großer Kulturinstitutionen, um sensibler für revisionistische NS-Vergleiche zu werden. Ferner sei eine Aus- und Weiterbildung an Universitäten nötig, um antisemitische Codes zu erkennen. Außerdem dürfe das Recht auf Kunstfreiheit nicht länger Antisemitismus rechtfertigen. Schließlich verlangte er ein konsequentes Durchgreifen gegen antisemitische Weltbilder in künstlerischen Zusammenhängen.

Der Frankfurter Professor für transnationale Soziale Arbeit, Meron Mendel, beklagte zahlreiche Ausstellungsabsagen gegenüber jüdischen Künstlern. Er wandte sich aber gegen strukturelle Eingriffe von außen in die Kunst- und Kulturszene. Sie könnten das Gegenteil bewirken. Stattdessen müsse die Selbstregulierung etwa durch Fortbildungen verbessert werden.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) verwies von Seiten der Bundesregierung auf verstärkte Anstrengungen und Initiativen gegen Antisemitismus. Dazu gehörten etwa Dialogveranstaltungen, die Überprüfung von Förderrichtlinien, die Verteidigung von Künstlern gegen Boykottaufrufe oder das Eintreten für einen Verhaltenskodex.