Das Reformationsjubiläum 2017 nimmt der Kirchenkreis Dortmund zum Anlass für eine Art Festschrift. Der reich bebilderte Band „Evangelisch in Dortmund. 1517 bis 2017“ beleuchtet das evangelisch-kirchliche Leben in der Ruhrgebietsstadt aus vielfältigen Perspektiven und richtet dabei den Blick nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in Gegenwart und Zukunft.
Etwas gewagt ist es allerdings, das Jahr des Thesenanschlags als zeitlichen Beginn des evangelischen Glaubens in Dortmund festzulegen. Sicher gab es zu dieser Zeit in der Reichsstadt – wie überall in Deutschland – schwelende Konflikte zwischen Bürgerschaft und Klerus, so dass Luthers Kritik an den Praktiken der katholischen Kirche auf fruchtbaren Boden fiel. Auch waren wohl schon bald nach 1517 lutherische Schriften im Umlauf, wie der Historiker Christian Helbich in seinem Beitrag über die Anfänge der evangelischen Konfession in Dortmund darstellt. Mit reformatorischen Neuerungen hielt sich Dortmund jedoch zunächst zurück. Wer etwa beim Abendmahl Brot und Wein empfangen wollte, musste bis 1562 in Gemeinden außerhalb der Stadtgrenzen ausweichen; erst dann ließ der Rat die Austeilung „unter beiderlei Gestalt“ zu. Deutschsprachige Gottesdienste mit lutherischer Liturgie sind ab 1579 in allen städtischen Kirchen vorgeschrieben.
Diejenigen Dortmunder, die der reformierten Lehre nach Calvin anhingen, wurden übrigens als Sektierer abgeschreiben; sie durften erst 1802, als Dortmund an das calvinistische Oranien-Nassau ging, eine eigene Kirchengemeinde bilden.
Wie sich die neue Lehre in der Ausstattung der Kirchengebäude niedergeschlagen hat, zeigt ein Beitrag des landeskirchlichen Kunsthistorikers Ulrich Althöfer. So wurden zum Beispiel die einzelnen Bilder des berühmten Marienaltars des Conrad von Soest in der Marienkirche unter evangelischen Gesichtspunkten neu geordnet: Nicht mehr Maria stand im Zentrum, sondern Christus. Inzwischen ist der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt.
Ein weiteres Beispiel evangelischer Kirchengestaltung stammt aus der Zeit der Industrialisierung: die 1908 eingeweihte Immanuelkirche, in der Altar, Kanzel und Orgel übereinandergestaffelt sind. Die prächtige Innengestaltung sei ein „Fest für die Sinne“, so Althöfer, und die gewaltige Kirche insgesamt ein „zeittypischer, aufwändiger Versuch, der rasant wachsenden Industriegemeinde eine würdige und unmissverständlich evangelische Heimat zu geben“.
Der Rolle der Dortmunder Kirchen im Kirchenkampf während der Nazi-Herrschaft sind mehrere Kapitel der Festschrift gewidmet. Auch jüngste Entwicklungen und Herausforderungen für die evangelische Kirche werden in dem Jubiläumsband behandelt: Friedensbewegung und Strukturwandel, die Flüchtlingsfrage und die Probleme einer veränderten Bevölkerungsstruktur. leg
• Evangelischer Kirchenkreis Dortmund (Hrsg.): Evangelisch in Dortmund und Lünen 1517 bis 2017, Klartext-Verlag, 368 Seiten, 22,95 Euro.