Landwirtschaft ist ein öffentliches Thema geworden. Man interessiert sich dafür, wie geackert, wie Tiere gehalten werden. Massentierhaltung, Monokulturen, Artenverlust, Vermaisung der Landschaft, Glyphosat, Gentechnik – das sind die Schlagworte, die die Kinder im Schulunterricht lernen, die die öffentlichen Debatten prägen, die die Repräsentanten von Tierschutz-, Umwelt-, und Verbraucherverbänden als Anklage erheben und die – nicht zuletzt – auch Kirchenleute von der Kanzel predigen.
Folgt diesem großen Interesse an der Landwirtschaft auch ein ebenso großes Interesse für die Landwirtschaft? Eher nein! Nach wie vor klafft die Lücke zwischen Verbraucherwünschen an Agrarerzeugnisse und der Bereitschaft, für höhere Umweltstandards und mehr Tierwohl zu bezahlen.
Die Krise der Landwirtschaft zeigt sich zuallererst also finanziell. Was die Bauern für ihre Milch, Tiere, Acker- und Feldfrüchte bekommen, deckt nicht einmal mehr die Unkosten. Von nachhaltigem Betriebsgewinn kann gar keine Rede sein. Dass es in der Landwirtschaft Preiskapriolen mal nach oben, mal nach unten gibt, das ist eigentlich auch nichts Neues. Doch jetzt ist der Preisverfall extrem und lang anhaltend. Nicht nur die durchschnittlichen bäuerlichen Familienbetriebe geraten existentiell in seinen Sog, sondern sogar die größeren, die lange als konkurrenzfähig galten.
Was macht das mit den betroffenen Menschen in der Landwirtschaft? Bleibt ihnen der Dank zum Erntedankfest im Halse stecken, wenn im Gottesdienst farbenfroh die Altäre geschmückt werden und die Kindergartenkinder ihre drolligen Körbchen voller Erntegaben schwingen? Bleibt der Dank aus? Oder passt sich der Dank an, so bescheiden wie der Erlös – ein kurz hingeworfenes Danke? Wird die Markt- und Preissituation verbunden mit der öffentlichen Debatte darüber, wie Landwirtschaft betrieben wird, zu einer beruflichen Legitimations- und persönlichen Sinnkrise? Wie bringt es ein Junglandwirt auf den Punkt: „Was wir tun, wird nicht wertgeschätzt. Wie wir es tun, wird ständig kritisch hinterfragt, und was wir als Ergebnis dafür bezahlt bekommen, ist weder kostendeckend noch anerkennend.“
Die Mehrzahl der Landwirte nimmt das öffentliche Interesse an ihrer Arbeit weniger als Würdigung ihres Berufes mit seinen besonderen Leistungen wahr, sondern als Misstrauen, Geringschätzung bis hin zur offenen gesellschaftlichen Infragestellung ihrer landwirtschaftlichen Praxis und des damit verbundenen Wissens- und Erfahrungshorizontes. Das ist für die Landwirtschaft fast noch schlimmer als eine nicht angemessene Entlohnung. Denn Arbeit prägt das Leben von Kindheit an, das Arbeitsethos ist extrem ausgeprägt und innerlich verwurzelt. Deswegen beklagt man sich auch nicht über frühmorgendliche Stallarbeit, Wochenendarbeit, Arbeiten bis spät in die Nacht bei Arbeitsspitzen; Tag für Tag, Woche für Woche, ein ganzes Bauernleben lang. Man klagt auch nicht über körperliche Belastung, die trotz allen technischen Fortschritts immer noch mit der Landwirtschaft verbunden ist. Ob Hitze oder Kälte, Staubwolken oder Regenschauer, Gerüche oder Schmutz, die Arbeit wird verrichtet, zumeist gerne.
Ist dieser Einsatz für den Hof, für die Tiere, für eine gute Ernte nichts mehr wert – nicht nur finanziell, sondern grundsätzlich, dann empfindet man seinen eigenen Beruf angegriffen, ja sogar sich auch als Person infrage gestellt. Darum ist es umso wichtiger, dass gerade in solchen Krisenzeiten das Erntedankfest nicht schöpfungstheologische Zusammenhänge mit möglichen landwirtschaftlichen Schuldverstrickungen ins Zentrum stellt, sondern die Menschen in der Landwirtschaft, die das ganze Jahr mit höchstem Einsatz geackert und gerackert haben.
Erntedank als Dank an den Schöpfer für unsere Lebensgrundlagen. Aber auch Dank, dass Menschen als Teil der Schöpfung in, mit und manchmal auch im Ringen mit dieser Schöpfung ihre Arbeit verrichten: aus Berufung und zur eigenen Freude, zur materiellen Existenzsicherung, aber eben auch für unser aller täglich Brot – allen Preismiseren zum Trotz. Zwei Prozent unserer Gesellschaft als professionelle Schöpfungsbebauer und Schöpfungsbewahrer suchen nach Dankesworten zum Ende der Ernte in schwierigen Zeiten. Wir anderen 98 Prozent könnten ihnen dabei helfen. Mit einem ebenso einfachen wie ehrlichen Dankeschön.
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Erntedank in schwierigen Zeiten
Bei aller berechtigter Kritik an Missständen: Die Menschen, die für unsere Nahrung sorgen, werden zu wenig wertgeschätzt, meint der Agrarbeauftragte der EKD

Foto: MünsterView / Witte