Bochum – Der Münchener Juraprofessor Christian Walter fordert mit Blick auf das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen eine Klarstellung vom Bundesverfassungsgericht. Das höchste deutsche Gericht müsse eine „moderne, tragfähige Begründung“ für das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen formulieren und das Recht auf Kirchenzugehörigkeit von Mitarbeitern in dem Rahmen konkretisieren, den der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgezeichnet habe, sagte Walter auf einer Fachtagung zum kirchlichen Arbeitsrecht in Bochum. Der Leiter der Rechtsabteilung der Gewerkschaft ver.di, Jens Schubert, sagte, das Arbeitsrecht sei keine eigene Angelegenheit der Kirchen, sie hätten sich allgemeinen Regelungen anzupassen.
An der Ruhr-Universität berieten mehr als 200 Experten aus den beiden großen christlichen Kirchen sowie von Diakonie und Caritas darüber, wie das Profil ihrer Einrichtungen nach den arbeitsrechtlichen Grundsatzurteilen des EuGH und des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom vergangenen Jahr gewahrt bleiben kann. Der EuGH hatte im April 2018 entschieden, dass das Verlangen einer Kirchenzugehörigkeit von Stellenbewerbern „wesentlich, rechtmäßig und gerechtfertigt“ sowie gerichtlich überprüfbar sein muss.
Gegen ein Urteil des BAG, das im Oktober den Luxemburger Richtern folgte, hat die Diakonie beim Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht. Von einem Urteil aus Karlsruhe erhoffe man sich eine Klarstellung, sagte die Rechtsreferentin der Diakonie Deutschland, Annegret Utsch. Im Moment herrsche in den diakonischen Einrichtungen Unsicherheit. Jens Schubert von ver.di begrüßte die Gerichtsentscheidungen. Es sei wichtig, den Druck auf die Kirchen aufrechtzuerhalten, da es sonst keine Veränderungen in deren Einrichtungen gäbe.
Bei der Rolle der Gerichte in der Überprüfung der Einstellungspraxis der Kirchen müsse das Bundesverfassungsgericht allerdings nachjustieren, verlangte der Münchener Hochschullehrer Walter. Aus der Säkularität des Staates könne man ableiten, dass er nicht entscheiden könne, was „religiöse Überzeugung und Dienstgemeinschaft in kirchlichen Einrichtungen ausmacht“, sagte der Experte für Religionsverfassungsrecht und Europarecht. Der Staat könne nur den rechtlichen Rahmen liefern, ein Richter den Inhalt religiöser Aussagen nur „rezipieren“, nicht aber festlegen.
Die Kirchen müssten ihrerseits die Anforderungen an die Zugehörigkeit ihrer Angestellten zu einer christlichen Konfession künftig stärker begründen, führte Walter aus. Schwierig werde es auch, wenn man an Angehörige eigenen Glaubens stärkere Loyalitätsanforderungen richte als an andere Beschäftigte. Auch der Jurist Detlev Fey von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) betonte, die Gerichtsentscheidungen brächten die Kirchen zu einer stärkeren Selbstvergewisserung und Plausibilisierung. Bereits jetzt stellten die Kirchen in vielen Fällen Andersgläubige ein, sagte Fey.
Die katholische Theologieprofessorin Judith Hahn warnte davor, den kirchlichen Charakter von Arbeitsverhältnissen nur an deren „Verkündigungsnähe“ festzumachen. Verkündigung sei nur „ein Ausschnitt der Sendung der Kirchen“. Sie forderte eine „Theologie der kirchlichen Dienste“, was deren Sendungsauftrag angehe.
Auch der Bochumer Arbeitsrechtler Jacob Joussen forderte von den Kirchen, dass sie klären müssten, was das Profil ihrer Einrichtungen ausmache. Die Diskussion über das „Evangelisch- oder Katholischsein“ einer Einrichtung müsse sich „aus der Umklammerung von Rechtsfragen“ lösen, betonte der Jurist, der auch dem Rat der EKD angehört. epd