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Einmal um den ganzen Globus

Vor 125 Jahren starb Thomas Cook. Der gläubig-abstinente Tourismus-Pionier gilt als Erfinder der Pauschalreise

Was verbindet die bierseligen Besucher am Ballermann mit einem britischen Baptisten und Alkoholgegner? Mehr, als mancher sich träumen ließe. Thomas Cook, geboren 1808 in Melbourne in der englischen Grafschaft Derbyshire, gilt als Erfinder der Pauschalreise – und wäre insofern auch haftbar zu machen für die bisweilen bizarren Ausschweifungen in modernen Touristenhochburgen. Vor 125 Jahren, am 18. Juli 1892, trat der Branchenpionier seine letzte Reise an. Beerdigt wurde er in Leicester.
Zu Lebzeiten stieg Cook zu einem der erfolgreichsten Geschäftsleute des viktorianischen Zeitalters auf. Er gehörte der in Baptistenkreisen damals weit verbreiteten Temperenzbewegung an, die die Menschheit vom Laster des Trinkens befreien wollte. Diesem Einsatz verdankt der Unternehmer auch seine ersten Erfahrungen als Reiseleiter: Am 5. Juli 1841 brachte der junge Laienprediger 570 Gleichgesinnte auf die Schiene; es ging von Leicester in das knapp 20 Kilometer entfernte Industriestädtchen Loughborough. Knapp 20 Jahre später bot Cook seinen Landsleuten dann erstmals einen Ausflug mit Eisenbahn und Schiff auf das europäische Festland an. Paris hieß das Ziel, „all inclusive“ das Motto. Nicht im Preis inbegriffen war freilich der Genuss von Hochprozentigem.
Der Clou an der Sache: Der umtriebige Cook handelte bei der Premiere mit der lokalen Eisenbahngesellschaft einen ordentlichen Mengenrabatt aus. Und versorgte die Mitreisenden mit – natürlich alkoholfreien – Getränken und musikalischer Unterhaltung. Schon dies zeigte: Cooks Cocktail für einen gelungenen Ausflug gründete auf knallhartem Verhandlungsgeschick und einer Menge Herzblut. Noch Jahre später soll er jede von ihm angebotene Tour persönlich getestet und ausgewertet haben. In der Schweiz, dem Sehnsuchtsland vieler Briten im 19. Jahrhundert, erinnert heute sogar ein eigener Reiseweg, die „Via Cook“, an die erste eidgenössische Erkundungsmission des Baptisten im Jahr 1863.
Dem aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Cook kamen bei seinen Aktivitäten die rasanten gesellschaftlichen Veränderungen der Epoche zugute. Die arbeitsteilige Produktionsweise in den Industriebetrieben ließ – zunächst nur für einige wenige – erstmals in der Geschichte der Menschheit ein Gefühl für Freizeit entstehen. Neue Verkehrsmittel wie die Eisenbahn machten die Massen mobil. Und dank moderner Kommunikationsmittel konnten Cook und seine Konkurrenten für ihre Leistungen in großem Stil werben. Sein Gesellenstück lieferte das Organisationstalent, schon damals unterstützt durch seinen Sohn John Mason Cook, anlässlich der ersten Weltausstellung 1851 in London ab. Rund 165 000 Besucher sollen die beiden in die britische Hauptstadt gekarrt haben.
In den folgenden Jahren erlebte das seit 1865 in London ansässige Reisebüro der Cooks eine rasante Entwicklung. 1866 folgte die erste Reise in die USA, drei Jahre später ging es nach Ägypten und Palästina. Dass ihm ausgerechnet diese Touren zu den frühen Stätten des Christentums zu einem enormen Bekanntheitsgrad verhalfen, dürfte bei Cook senior für eine gewisse Zufriedenheit gesorgt haben. Als er starb, war der Name seines Unternehmens längst in aller Munde. In Familienbesitz blieb es allerdings nur bis Ende der 1920er Jahre. Heute ist das einstige Zwei-Mann-Unternehmen ein internationaler Konzern mit fast 22 000 Mitarbeitern, die die Wünsche einer Millionenkundschaft zu erfüllen versuchen.
Flexibilität war übrigens auch ein Markenzeichen des gläubig-abstinenten Firmengründers selbst. Wer unbedingt wollte, konnte etwa schon bei den frühen Reisen auf Alkoholisches ausweichen, wie ein Biograph verzeichnet. Begleitet habe der Pa­triarch derartige Gelüste höchstens durch ein geknurrtes „Gentlemen, do not invest your money in diarrhoea!“ („Meine Herren, investieren Sie Ihr Geld nicht in Durchfall“).