Fußball kann man toll finden oder auch nicht. Aber eine Veranstaltung wie die Weltmeisterschaft ist nicht nur für Sportbegeisterte bedeutsam. Das, was jetzt vier Wochen lang in den Stadien in Russland und auf den Fernsehschirmen hier zu Hause passiert, hat einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf unser menschliches Miteinander.
Da ist zunächst das Offensichtliche: die Begeisterung. Zittern und Zagen, wenn die „eigene“ Mannschaft spielt. Erleichterung, ja Glücksgefühle, als „Deutschland“ in allerletzter Minute noch eine Bresche zum Weiterkommen geschlagen zu haben schien. Und was für eine Enttäuschung, als dann doch alles zusammenbrach: Aus in der Vorrunde.
Alle vier Jahre zeigt sich dieses Phänomen: Party auf den Straßen. Oder Fassungslosigkeit und Stille. Eine Fußball-WM hat das Land im Griff.
Natürlich kann man das kritisch sehen. Europa, vielleicht die Welt, steht auf der Kippe. Haben wir nichts Wichtigeres zu tun, als unsere Gefühle und unseren Verstand mit Fußball zu blockieren?
Brot und Spiele, das funktionierte schon im Altertum – da lauert eine Sehnsucht im Menschen. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, so schätzt der Weltfußballverband FIFA, findet im Fußball die Erfüllung dieser Sehnsucht. Die Frage ist: Wie geht man damit um?
Antwort: Seid den Menschen gute Vorbilder.
Fußball ist so viel mehr als siegen. Natürlich: Der Kampf, die Anstrengung, die Leistung – das alles gehört unbedingt dazu. Man will gut sein. Besser als der andere. Mehr Tore. Kreismeister. Landesmeister. Weltmeister. Das ist die Leidenschaft. Und die überträgt sich auch auf die Fans.
Aber das, was „Sportsgeist“ eigentlich meint, ist etwas anderes: Fairplay. Zusammenhalt. Füreinander einstehen. Kameradschaft. Mit einem Wort: wahre Größe.
Und diese Größe zeigt sich ganz besonders im Verlieren. Das festzuhalten, ist enorm wichtig. Weil Verlieren zum Leben zählt. Egal, wie toll man war oder ist: Es gibt immer einen (oder eine), der oder die besser ist, stärker oder schneller als man selbst. Alles eine Frage der Zeit. Spätestens, wenn man alt wird.
Es mag schwerer geworden sein, hehre Ideale im Fußball zu leben. In Zeiten, in denen der Wert eines Spielers in zweistelligen Millionenbeträgen gerechnet wird. In denen wuchernder Nationalstolz die Idee einer Gemeinschaft zwischen den Völkern auffrisst.
Aber es ist möglich. Die unbekümmerte Spielfreude der Isländer hat es gezeigt. Genauso, wie die Fans aus Japan und dem Senegal, die sich zum gemeinsamen Müllsammeln gefunden haben. Oder die deutschen Spieler und deren Trainer, die nach dem „Aus“ keine Ausreden gesucht haben, sondern die Verantwortung fürs Debakel in vollem Umfang übernommen haben.
Also: Trainer, Spieler, Zuschauerinnen und Zuschauer, Manager, du Mann und du Frau auf der Straße – geben wir das weiter, was „Sport“ eigentlich heißt: eine edle, uneigennützige Gesinnung. Das ist die Chance einer Fußball-WM.
Artikel teilen:
Eine Schule fürs Leben
„Aus“ für die deutsche Nationalmannschaft – warum das nicht nur eine Angelegenheit für die Sportbegeisterten ist: Über die Chancen einer Fußball-Weltmeisterschaft