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Ein Stück Himmel auf Erden

Der WDR-Fernsehgottesdienst zum Reformationsjubiläum in Nordrhein-Westfalen kommt aus der Soester Wiesenkirche. Alle drei westfälischen Landeskirchen sind beteiligt. Mit dabei sind Menschen, die auf ihre Weise mit der Kirche verbunden sind

So ein bisschen erinnert es an ein wichtiges Fußballspiel: Da kann man im Training ein mögliches Elfmeterschießen noch so intensiv üben – entscheidend ist anschließend „auf‘m Platz“. Da können die Knie schon einmal weich werden, wenn man im voll besetzten Stadion zum Elfmeter antreten muss.

Elfmeter werden Steinmetz Michael Düchting, Glasrestauratorin Simone Schmidt, Ehrenamtskoordinatorin Antje Limbrock und Kantorin Annette Petrick am 31. Oktober nicht verwandeln müssen. Aber weiche Knie angesichts einer voll besetzten Wiesenkirche und einer Live-Übertragung im WDR-Fernsehen? Das vielleicht schon.

Seit dem Frühsommer laufen die Vorbereitungen

Auch deshalb wurden die Statements, die die vier im Gottesdienst abgeben werden, im Vorfeld intensiv geübt. „Wir wollen zum Reformationsjubiläum diese tolle Kirche ins Gespräch bringen und Menschen vorstellen, die so etwas wie lebendige Bausteine sind“, erklärt Titus Reinmuth. Als stellvertretender Evangelischer Rundfunkbeauftragter beim WDR ist der Pfarrer aus Düsseldorf seit dem Frühsommer mit den inhaltlichen Vorbereitungen des zentralen Gottesdienstes beschäftigt, zu dem die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen zum 31. Oktober nach Soest einladen.

Keine leichte Aufgabe. Immerhin ist dieser Gottesdienst auch für einen Profi wie Reinmuth etwas Besonderes: „Das gibt es schließlich nur einmal in 500 Jahren“, erklärt er augenzwinkernd. Für die Evangelische Kirche von Westfalen, die Evangelische Kirche im Rheinland und die Lippische Landeskirche ist es in jedem Fall ein Novum.

„Lebendige Bausteine“ möchte der Fernseh-Profi vorstellen. Also Menschen, die auf ganz unterschiedliche Weise an der Gegenwart, aber auch an der Zukunft der Kirche mitarbeiten. Reinmuth: „Das sind alles Menschen, die dafür sorgen, dass Kirche auch morgen noch da ist.“

Da ist etwa der Steinmetz Michael Düchting. Schon sein Vater Alfons Düchting – ebenfalls Steinmetz und Bildhauer – hat buchstäblich Hand angelegt an die Wiesenkirche. „Ich bin da oben viel rumgeturnt“, sagt der Soester mit Blick auf den eingerüsteten Turm der Kirche. Als die Restaurierung in den 80er Jahren begann, hat er seinen Vater oft zur Baustelle begleitet und erlebt, wie marode das Gemäuer war: „Die meterhohen Fialen konnten von Hand bewegt werden.“

Im Gottesdienst wird Düchting „natürlich über Steine reden. Worüber auch sonst?“ Für ihn ist eine Baustelle wie die an der Wiesenkirche auch so etwas wie ein grundsätzliches Sinnbild für die Zukunft der Kirche: „Von den großen Kirchen wissen wir, dass diese Kirchengebäude immer Baustellen sind – besondere, erhaltenswerte. Sie bestehen nur durch unser Tun, durch unser Wollen.“

Mit Baustellen ganz anderer Art hat Antje Limbrock zu tun. Als Ehrenamtskoordinatorin am Kirchenkiosk „Vis a Wiese“ sucht sie gemeinsam mit zahlreichen Ehrenamtlichen mehrmals wöchentlich das Gespräch „über Gott und Welt“ mit Besuchern der Wiesenkirche. Bei einer Tasse Kaffee am Kiosk – auf Ebene der Landeskirche im Übrigen ein einmaliges Projekt – über den Glauben sprechen, sei geübte Praxis.  „Manchmal aber“, sagt Antje Limbrock, „hören wir einfach nur zu. Zeit zu haben und den Menschen diese Zeit zu geben – das ist uns wichtig. So bauen wir Kirche neu und anders. Das ist für uns Reformation.“

Beliebte Kirche für festliche Gottesdienste

Ein Gottesdienst in der Wiesenkirche – da spielt natürlich auch das Licht eine ganz besondere Rolle. Nicht umsonst haben Johannes Rau, Jürgen Rüttgers und Hannelore Kraft insgesamt siebenmal in ihrer Eigenschaft als Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen hier ihren Adventsgottesdienst gefeiert.

Zum Thema Licht hat Simone Schmidt naturgemäß ein besonderes Verhältnis. Die Glasrestauratorin der Firma Peters (Paderborn) hat in den vergangenen Jahren unendlich viel Zeit mit den zu restaurierenden Fenstern der Wiesenkirche verbracht: „Die alten Gläser haben mir Schritt für Schritt ihre Geschichte preisgegeben, aber auch ihren Leidensweg.“ Dabei ist sich die Glaskünstlerin der Bedeutung ihrer anspruchsvollen Aufgabe mehr als bewusst: „Wir können stolz darauf sein, dass unsere Vorfahren diese Fenster erschaffen haben und ich hoffe, ich konnte einen Beitrag dazu leisten, damit auch nachkommende Generationen diese Fenster betrachten und erleben können, wie sie leuchten.“

„Leuchten ist ein gutes Stichwort“, findet Annette Petrick. „Für mich bringt Musik die Kirche zum Leuchten. Musik passiert im Jetzt. Und dann berührt sie und lässt Augen leuchten.“ Die Chorsängerin, die beim Reformationsjubiläum in der Kantorei der Hochschule für Kirchenmusik (Herford) mitsingen wird, ist überzeugt: „Für mich ist das Tolle an Kirchenmusik, dass sie durch ihre Texte Tiefe hat. Wir singen nicht irgendwas Belangloses, sondern von der Ewigkeit; von Gott, der die Liebe ist oder von Christus, der uns freimacht. Das hebt das Herz und ich fühle ein Stück Himmel auf Erden.“

Für Titus Reinmuth sind diese Statements, die zu Beginn des Gottesdienstes vorgetragen werden, ein wichtiger Baustein für die Botschaft dieses Reformations-Gottesdienstes, der ein Brückenschlag von der Vergangenheit vor 500 Jahren, über die Gegenwart bis hin zur Zukunft sein soll: „Wir möchten anschaulich machen, was die Reformation ausmacht – dafür sind diese vier da. Sie sind Teil des Leitmotivs ,Freiheit gestalten auf festem Grund‘.“

Für den theologischen und auch historischen Überbau wird die westfälische Präses Annette Kurschus in ihrer Predigt sorgen. Die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen predigt über die Sätze des Apostels Paulus (Galater 5,1): „Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen.“

Der Gottesdienst zum Reformationsjubiläum wird ab 10 Uhr im WDR-Fernsehen und im Radio auf WDR 5 live übertragen.