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Ein neuer deutscher Papst ist nicht am Horizont

“Deutsche” Päpste gab es schon den ein oder anderen in 2.000 Jahren. Obwohl Benedikt XVI. kaum acht Jahre regierte, war seine Amtszeit die längste eines Deutschen. Und dann war da ja noch jemand ziemlich Buntes…

Benedikt XVI., der erste “deutsche” Papst seit 482 Jahren, regierte trotz seiner schon 78 Lenze bei Amtsantritt länger als jeder andere aus deutschen Landen: sieben Jahre und zehn Monate.

Seit der Niederländer Hadrian VI. 1523 starb, saßen für gut 450 Jahre nur noch Italiener auf dem Stuhl Petri; bis nacheinander der Pole Karol Wojtyla (1978-2005), der Deutsche Benedikt XVI. (2005-2013) und der Argentinier Franziskus (2013-2025) dieses ungeschriebene Gesetz durchbrachen. Im Geiste umspannen die Wahl Hadrians 1522 und der Tod Benedikts XVI. am Silvestertag 2022, zweier nüchterner, dienstbereiter Asketen, ein volles halbes Jahrtausend.

Eine offizielle Zählung “deutscher” Päpste ist sehr problematisch; ist doch der Begriff deutsch, zumal im Mittelalter, geografisch schwer zu fassen. Zum Reich – dem Heiligen Römischen, zumeist “deutscher Nation” – zählte damals deutlich mehr als die heutige Bundesrepublik: Kärnten, Elsass, Lothringen, Südtirol, die Niederlande… Doch selbst mit all diesen Regionen haben die “Deutschen” in zwei Jahrtausenden nicht mehr als acht Päpste hervorgebracht.

Eine deutsche Vorhut bildete Brun, ein 24-jähriger Herzogssohn aus Kärnten, der als Gregor V. (996-999) seinen Verwandten Otto III. zum Kaiser krönte und sich danach recht rasch von ihm unabhängig machte. Die eigentliche Hoch-Zeit aber war ein halbes Jahrhundert später die sogenannte Epoche der “deutschen Päpste”. Nicht weniger als fünf Deutsche traten binnen elf Jahren die Petrus-Nachfolge an.

Hintergrund dessen war das religiöse Engagement Kaiser Heinrichs III. (1039/46-1056), der die von Benediktinerklöstern ausgegangene Kirchenreform über Rom auf die Gesamtkirche übertragen wollte. Gegen “Erbansprüche” des römischen Klerus setzte er die Wahl der Bischöfe Suidger von Bamberg als Clemens II. (1046/47) und Poppo von Brixen als Damasus II. (1048) durch. Beide starben jedoch verdächtig schnell; der zweite gar als ein “Papst der 23 Tage”.

Beim dritten Versuch, der römischen Kirche den deutschen Reformwillen aufzuzwingen, gelangte mit dem Elsässer Bruno von Egisheim-Dagsburg, dem später heiliggesprochenen Leo IX. (1049-1054), der wohl bedeutendste “deutsche” Papst des Mittelalters auf den Stuhl Petri. Als Bischof von Toul hatte sich der Vetter Heinrichs III. bereits für die Kirchenreform stark gemacht.

Leos fünfjährige Amtszeit gehört zu den bedeutenden seiner Epoche; beinhaltete sie doch eine erfolgreiche Bekämpfung von bischöflichem Ämterkauf, eine Einschärfung des Pflichtzölibats, die Vorbereitung des Kardinalskollegiums als Leitungsgremium der Kirche, die Betonung des Primats des römischen Bischofs – und die Spaltung von Ost- und Westkirche im Großen Schisma von 1054.

Für gewisse Kontinuität sorgten danach Bischof Gebhard von Eichstätt als Papst Viktor II. (1055-1057) und Stephan IX. (1057/58), ein Bruder des Herzogs von Lothringen. Gerade von letzterem erwartete man ein kraftvolles Pontifikat; doch auch er starb früh. Besonders schwer einzuordnen ist Stephans Nachfolger Gerhard, Bischof von Florenz, der sich als Papst Nikolaus II. nannte (1058-1061). Er stammte aus dem französischen Burgund – oder doch aus Lothringen?

Nach dieser kurzen, aber geschichtsmächtigen Epoche gab es bis heute nur noch zwei “deutsche” Stellvertreter Christi auf Erden. Die überraschende Wahl des asketischen Theologen Adrian von Utrecht als Nachfolger des leichtlebigen Medici-Papstes Leo X. ließ 1522, mitten in den theologischen Auseinandersetzungen um “Reform” oder “Reformation”, noch einmal Hoffnung auf eine radikale Umgestaltung der Kirche aufkeimen. Doch der ernste Reformwillen des wenig kunstsinnigen Nordmanns prallte am Unwillen des Establishments ab. Hadrian VI. starb, unglücklich, nach nur 20 Monaten – und die Spaltung auch der Abendländischen Kirche nahm ihren Lauf…

Ein knappes halbes Jahrtausend später, im Februar 2013, kündigte Benedikt XVI., der Super-Theologe und am Ende seines Lebens aber entkräftete Papst aus Bayern, in einem so spektakulären wie nachvollziehbaren Akt seinen Amtsverzicht an. Er schrieb damit seinerseits Kirchengeschichte. Alles in allem war der Stuhl Petri damit in 2.000 Jahren nur 21 Jahre lang “deutsch”; ein mageres Prozent – und also kürzer als (mit dem rasch geheiligten Johannes Paul II.) “polnisch”…

Acht deutsche Päpste also. Aber da war doch noch… – richtig, die Päpstin: Johanna, die bislang einzige angebliche Petrusnachfolgerin. Hätte es sie tatsächlich gegeben, so wäre sie vielleicht tatsächlich im neunten Jahrhundert aus Mainz durch Irrungen und Wirrungen nach Rom gelangt und hätte unter Umständen für zwei Jahre die Geschicke der römischen Kirche geleitet haben können. Doch leider: Sie war und bleibt eine schöne Legende des hohen Mittelalters – die weder durch zahlreiche Variationen noch durch eine erfolgreiche Roman- und Kinofassung des ausgehenden 20./ frühen 21. Jahrhunderts wahrer geworden ist.