Der Blick meiner Besucherin fällt auf meinen Fernseher. „Neu?“, fragt sie. „Neu“, bestätige ich. „Möge er in Ihren Händen alt werden, wie man bei uns sagt“, wünscht sie mir. „Bei uns“ ist in diesem Fall die Türkei.
Möge er in Ihren Händen alt werden. Der fromme Wunsch geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich schaue meinen Fernseher an und sehe ihn mit neuen Augen. Er scheint im Wert gestiegen zu sein, ist plötzlich schützenswert. Ich fühle meine Verantwortung, damit dieser Wunsch in Erfüllung gehen kann.
Ich sehe uns – meinen Fernseher und mich – in zehn, 20, 30 Jahren. Er zeigt mir immer noch in bunten Bildern die Welt. Ich hege und pflege und betüdele ihn dafür im Gegenzug.
Und was ist, wenn ich diesen Wunsch auf andere Bereiche in meinem Leben ausdehne? Nicht nur auf Dinge, sondern auch auf die Menschen in meinem Leben? Freundschaften etwa können „in meinen Händen“ alt werden. Doch dafür muss ich etwas tun. Sprich, ich muss sie hegen, mich um sie kümmern, sie beschützen, sie aufrechterhalten. Das ist meine Verantwortung.
Was ich im Gegenzug dazu bekomme, ist unbezahlbar. Wärme und Liebe. Hilfe und Unterstützung. Ich gebe und ich bekomme.
Mit meinem Glauben funktioniert es ähnlich. Ich bekomme ihn geschenkt. Doch dann ist er nicht selbstverständlich in meinem Leben. Ich muss dafür etwas tun. Ihn mit Gebeten am Leben halten. Mit Bibellesen hegen. Mit anderen im Gottesdienst teilen. Mit Dankbarkeit und Loben wertschätzen. Dann können wir beide miteinander alt werden.
Ein frommer Wunsch.