Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, hat mit Blick auf das Reißen der 1,5-Grad-Grenze bei der Erderwärmung eine Klima-Ignoranz im Bundestagswahlkampf beklagt. „Manche tun so, als gehöre Klimaschutz zum Luxusgedöns nach dem Motto: Wenn wir politisch nix mehr zu tun haben, wenn die Wirtschaft wieder richtig brummt, dann machen wir mal wieder Klimapolitik“, sagte Edenhofer der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ, Freitag). „Wir reden – sehr zu Recht – über die Schwierigkeiten der Klimawende. Aber wir reden überhaupt nicht mehr darüber, was ein ungebremster Klimawandel kostet.“
Laut dem EU-Erdbeobachtungsprogramm Copernicus waren die Temperaturen im vergangenen Jahr erstmals um 1,5 Grad höher als vor der Industrialisierung. Die Tatsache, dass der ungebremste Klimawandel längst massivste Schäden hervorrufe, die immer gigantischer würden, „ist auch in diesem Bundestagswahlkampf irgendwie in Vergessenheit geraten“, erklärte Edenhofer. Dabei sei ein Produktionseinbruch um 20 Prozent binnen 25 Jahren gegenüber einer Welt ohne Schäden absehbar: „Die Schäden des Klimawandels werden bis 2050 sechsmal so hoch liegen wie die Kosten des Klimaschutzes.“
Edenhofer reagierte mit seiner Kritik insbesondere auf die Ankündigungen der Union, bei einem Wahlsieg das EU-Verbrennerverbot und das Heizungsgesetz zurücknehmen zu wollen. „Es gibt einen Konservativismus, der vor allem erzählt, wie wunderbar es in der Vergangenheit war. Für mich ist Nostalgie die Sehnsucht nach einem Ort, an dem wir nie gewesen sind“, sagte Edenhofer der „NOZ“. „So ein Konservatismus wird uns nicht helfen, der wird uns in den Abgrund führen.“
Sein Ansatz für eine konservative Klimapolitik sei: „Wer viel verändern will, muss den Leuten sagen, was bewahrt wird. Die Menschen können Veränderungen nur dann akzeptieren, wenn sie nicht das Gefühl haben, ihnen werde der Boden unter den Füßen weggezogen. Das ist das Gegenteil davon, zu sagen, alles wird rückabgewickelt, und damit die Illusion zu erzeugen, es könnte so werden, wie es nie war.“