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Dunkle Verführungen

Das Kölner Schokoladenmuseum entführt in eine Welt sinnlicher Genüsse. Das Bewusstsein für die Lage der Kakaobauern muss man aber nicht an der Garderobe abgeben

Hydra Productions

Wenn der Kollege vom Betriebsausflug ins Schokoladenmuseum erzählt, bekommt er noch heute, nach etlichen Jahren, leuchtende Augen: „Dieser Schokobrunnen – ein Wahnsinn!“ Dabei gehört er nicht zu den Menschen, für die Schokolade zu den Grundnahrungsmitteln zählt. Im Gegenteil: Eigentlich steht er mehr auf gesunde und vor allem kalorienarme Ernährung. Der Schokobrunnen hat‘s ihm dennoch angetan. So sehr, dass er sagt, allein deswegen lohne sich die Fahrt nach Köln.

Der Grund dürfte wohl sein, dass es am Schokobrunnen – endlich! – eine kleine Kostprobe von der dunklen und zartschmelzenden Leckerei gibt, nachdem man – wie das in Museen nun mal meistens so üblich ist – so lange nur hat gucken dürfen…
Zum Beispiel im Produktionsbereich. Dort ist eine komplette Einheit zur Verarbeitung der Kakaobohne zu sehen: über das Rösten, Brechen und Mahlen bis hin zur fertig gemischten, gewalzten und „conchierten“ Schokoladenmasse, wie sie später aus dem Schokobrunnen fließt.  
Das Objekt der Begierde – kunstvoll gestaltet wie ein Baum mit Kakaofrüchten – fasst nach Angaben des Museum 200 Kilogramm warmer, flüssiger Schokoladenmasse, die aus vier Edelstahlfontänen in eine Brunnenschale sprudelt. In die tauchen Museumsmitarbeiterinnen Waffeln ein und reichen sie den Gästen. Was, wie sich der Kollege erinnert, auch schon mal zu kleineren Streitigkeiten führen kann. Jeder will der erste sein.

Erinnerung an alte Zeiten

Ja, die Vernunft kann manchen Menschen beim Anblick der süßen Köstlichkeit schon mal abhanden kommen. Schokolade und ihr Grundstoff, der Kakao, ist schließlich ein ganz besonderes Genussmittel. Eines, dem die Menschen seit Tausenden von Jahren verfallen sind. Auch darüber lässt sich im Kölner Museum einiges erfahren. In der „Schatzkammer“ gibt es Einblicke in mittelamerikanische Kulturen der Zeit vor Kolumbus. Dort diente der Kakao sogar zeitweise als Währung. Und noch mehr: Er galt als Göttertrank.
Im 17. und 18. Jahrhundert eroberte das Heißgetränk Schokolade allmählich Europa. Leisten konnten sich das anfangs allerdings nur wenige. Erst später, im 19. und 20. Jahrhundert, wurde die Schokolade zum erschwinglichen Vergnügen auch für die nicht so Betuchten. Zwei historische Ladeneinrichtungen zeigen alte Verpackungen von Kakao- und Schokoladenprodukten.
Damit die an den Mann, die Frau und das Kind gebracht werden konnten, hat die Schokoladenindustrie schon frühzeitig  verkaufsfördernde Maßnahmen entwickelt. Einen Rückblick auf die Geschichte der Werbung bieten etwa 30 Schokoladen-Automaten, die ab dem 19. Jahrhundert auf öffentlichen Plätzen installiert wurden, und eine Sammlung historische Plakate und Emailleschilder. Im „Schoko-Kino“ sind Werbespots von 1926 bis heute zu sehen.
Und weil es beim Thema Schokolade im 21. Jahrhundert nicht mehr allein um die Genuss-Ansprüche der Menschen in den reichen Ländern gehen kann, informiert das Kölner Museum unter der Überschrift „Arbeit und Leben“ in zwei Räumen auch über die Lebens- und Arbeitsbedigungen der Kakaobauern, über verschiedene Siegel des fairen Handels (zum Beispiel „Fairtrade“ und „Gepa“) sowie über Initiativen der Schokoladenindustrie zur Verbesserung der Lage der Produzenten. Andrea Durry, Kuratorin im Schokoladenmuseum, hat im Laufe der Jahre ein wachsendes Interesse des Publikums an dem Thema  festgestellt – was sich wohl deckt mit dem allgemein gewachsenen politischen Bewusstsein in dieser Hinsicht.
So kann am Ende eines Besuches des Schokoladenmuseums zweierlei stehen: die Verführung in die Welt dunkler Genüsse und der Weckruf, dabei die nicht zu vergessen, denen wir den Genuss zu verdanken haben.

Anreise: Am Schokoladenmuseum 1a, 50678 Köln. Zu Fuß von Altstadt und Dom dem Rheinufer in südlicher Richtung folgen. Vom Kölner Pegel – etwa auf Höhe des Heumarkts – sind es noch etwa 500 Meter. Vom Bahnhof fährt auch die Buslinie 133 direkt zum Museum. Die Bimmelbahn „Schoko-Express“ fährt täglich alle 30 Minuten ab Kölner Dom (Burgmauer (neben KölnTourismus) durch die Altstadt am Rheinufer entlang bis zum Schokoladenmuseum. Mit dem Auto über die Rheinuferstraße, die am Museum „Holzmarkt“ heißt; Parkmöglichkeiten in der Tiefgarage „Rheinauhafen“.

Öffnungszeiten: dienstags  bis freitags 10 bis 18 Uhr (letzter Einlass 17 Uhr), samstags, sonn- und feiertags 11 bis 19 Uhr (letzter Einlass 18 Uhr). Eintritt: Erwachsene 9 Euro, Ermäßigungsberechtigte 6,50 Euro, Familienkarte (Erwachsene und eigene Kinder bis 16 Jahre) 25 Euro, freier Eintritt für Kinder unter sechs Jahren und Geburtstagskinder.

Kontakt: Infos, auch über Verkostungen und das Kinderprogramm in den Sommerferien, unter Telefon: (02 21) 93 18 88-0 (dienstags bis freitags 10 bis 14 Uhr); E-Mail: service@schokoladenmuseum.de; Internet: www.schokoladenmuseum.de.