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Droht dem Südsudan der nächste Bürgerkrieg?

Die Versorgungslage im Südsudan ist schlecht. Bald könnten bis zu 7,7 Millionen Menschen nicht mehr ausreichend zu essen haben. Neue Kämpfe verschärfen die Lage in einem äußerst fragilen Staat.

In vielen Teilen im Südsudan begleiten Angst und Anspannung seit Wochen die Menschen. Grund dafür sind Kämpfe im Osten des Landes und – mal wieder – eine politische Krise. Das ostafrikanische Land steht wieder am Abgrund. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) beantwortet einige Fragen zur derzeitigen Lage.

Laut Vereinten Nationen überrannten Mitglieder der Miliz “Weiße Armee” am 4. März einen Armeestützpunkt im Bezirk Nasir in der Provinz Uper Nile. Die Regierungstruppen antworteten mit Vergeltungsangriffen aus der Luft, auch auf zivile Gebiete. Bei einer geplanten Evakuierung von Soldaten kam es drei Tage später zu einem Schusswechsel, mindestens 27 Soldaten starben, darunter ein Blau-Helm-Soldat. Insgesamt gibt es mittlerweile Dutzende Tote.

Präsident der Einheitsregierung ist Salva Kiir von der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM); Vizepräsident ist Riek Machar von der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung in der Opposition (SPLM-IO). Er steht seit Ende März unter Hausarrest; der Vorwurf: Machar und seine Partei haben Verbindungen zur Miliz “Weiße Armee”. “Die relative Balance, von der die Einheitsregierung lebte, ist in Schieflage geraten”, beschreibt Ulrich Thum, Leiter des Landesbüros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Juba.

“Man muss sich davor hüten, dass man sagt: Kiir gegen Machar oder SPLM gegen SPLM-IO. Es gibt so viele unterschiedliche Interessen in diesem Land”, sagt Experte Ulrich Thum. Laut Beobachtern ist unklar, wie viel Einfluss Machar tatsächlich auf die Miliz hat. Ähnliches gilt für Kiir und seine Stellung innerhalb der Partei. Einen Schritt zur Machtsicherung unternahm er aber Mitte Februar: Er setzte den zweiten Vizepräsidenten ab – insgesamt gibt es fünf – und ernannte seinen ehemaligen Berater und angeblichen Schwiegersohn Benjamin Bol Mel.

Der Südsudan ist Afrikas jüngster Staat und wurde 2011 vom Sudan unabhängig. Die Hoffnung auf Frieden und Stabilität waren groß. Doch die Enttäuschung folgte zwei Jahre später in Form eines Bürgerkriegs, mit Kiir und Machar als zentrale Figuren. 2018 mussten sie ein Friedensabkommen schließen. Machars Festsetzung gilt nun als endgültiges Ende des Abkommens. Doch stabil war es auch davor nicht: Beispielsweise wurden Wahlen immer wieder verschoben.

Seit April 2023 herrscht im Nachbarland Sudan Bürgerkrieg. Mehr als eine Million Menschen sind laut UN seitdem in den Südsudan geflohen; darunter auch Menschen, die den Südsudan einst wegen des Krieges verlassen hatten. Uganda hat hingegen Streitkräfte in die Hauptstadt Juba sowie nach Upper Nile entsandt und stellt sich klar auf die Seite von Präsident Kiir.

Der Ölexport macht rund 90 Prozent der Staatseinnahmen aus. Dafür notwendig ist die Pipeline, die durch den Sudan in die Hafenstadt Port Sudan am Roten Meer führt. Wegen des Krieges war die Pipeline monatelang außer Betrieb. Laut Beobachtern sind im Nachbarland Sudan die Streitkräfte auf die Nutzungsgebühren der Pipeline angewiesen, um Kämpfe gegen die Miliz Rapid Support Forces (RSF) zu finanzieren. Gleichzeitig gibt es ein Ölabnahmeabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Diese unterstützen wiederum die RSF.

Die Mehrheit der Bevölkerung (gut 60 Prozent) bekennt sich zum Christentum, knapp jeder Dritte gehört einer lokalen Religion an. Zentraler ist die ethnische Dimension. Nuer und Dinka sind die beiden größten ethnischen Gruppen im Land, Konflikte zwischen ihnen gibt es seit Jahrzehnten und hat zur Spaltung der SPLM geführt.

“Die Versorgungslage war schon in den vergangenen Jahren dramatisch und hat sich zuletzt auch unabhängig von der aktuellen politischen Entwicklung verschlechtert”, sagt Kim Kerkhof von Caritas international. Eine Katastrophe für die lokale Bevölkerung sei beispielsweise die Inflation. Laut Weltbank liegt die Armutsquote bei 92 Prozent, allerdings: Die Datenlage ist schwierig. Zum Alltag gehören längst unzählige Checkpoints von Regierungsarmee wie Oppositionsgruppen. “Damit holen sich Soldaten Ersatz für den nicht gezahlten Sold. Lehrer verlangen Schulgebühren, Polizisten verwehren Bauern den Zugang zu Märkten”, so Kerkhof.

Rund 100.000 sind alleine seit den jüngsten Kämpfen in Upper Nile geflohen. Insgesamt gibt es rund 1,8 Millionen Menschen auf der Flucht. Das wirkt sich auf die Ernährungssicherheit aus. “Wer vertrieben wird, kann kein Feld bestellen und muss seine Nahrungsmittel zurücklassen”, sagt Kim Kerkhof. Laut Organisation IPC werden zwischen April und Juni 7,7 Millionen Menschen nicht ausreichend zu essen haben. Die Bevölkerung liegt bei gut 12 Millionen.

“Die Menschen haben keine Lust mehr auf Kämpfe und Krieg”, sagt der Leiter des Landesbüros der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Juba, Ulrich Thum. Es gebe versöhnliche Stimmen innerhalb der Armee. Auch hätten sich Zivilgesellschaft und Kirchen deutlich positioniert. Zuletzt forderten die Bischöfe Anfang April ein Ende der Gewalt.