Artikel teilen:

„Die Mutigen“: ARD zeigt Dokudrama über Lohnfortzahlung

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist heute selbstverständlich. Dass sie hart erkämpft wurde, zeigt ein ARD-Dokudrama aus der Wirtschaftswunderzeit. 34.000 Arbeiter kämpften um Gerechtigkeit.

Die Streikenden auf der Howaldt-Werft sind zu allem bereit.
Die Streikenden auf der Howaldt-Werft sind zu allem bereit.NDR / eikon nord

Deutschland im Jahr 1956. Der Krieg steckt den Menschen noch in den Knochen. Doch langsam geht es wieder bergauf. Die Wirtschaft boomt, wie in der Kieler Howaldt-Werft. Hier arbeitet Alfred Freese. Sein Lohn ernährt die Familie um Ehefrau Emma. Als er an einer Lungenentzündung erkrankt, stehen die Freeses vor dem finanziellen Ruin. Denn im Gegensatz zu Angestellten erhalten Arbeiter die ersten drei Tage keine Lohnfortzahlung und danach nur einen Bruchteil. „Krankheit darf einfach nicht sein“, bilanziert Emma Freese bitter.

Ein Schicksal stellvertretend für Zehntausende

Das Ehepaar steht in dem Dokudrama stellvertretend für die zehntausenden Familien, die betroffen waren. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sehen die Ereignisse durch Emma Freeses Sicht, die aus dem Hintergrund ihre Geschichte erzählt.

Die Arbeit auf der Werft ist hart. Jeder vierte verunglückt. Doch der Zusammenhalt der Arbeiter ist stark. Es ist auch dieser Zusammenhalt, der dazu führt, dass die 13.000 Arbeiter auf der Werft die Zustände nicht länger hinnehmen wollen. Gemeinsam mit der Gewerkschaft IG-Metall bereiten sie sich auf einen Streik vor, der dann im Oktober 1956 beginnt. Die Forderungen: Lohnfortzahlung im Krankenfall, mehr dringend benötigter Urlaub als zweieinhalb Wochen und Urlaubsgeld. Mehrere Arbeiter in Schleswig-Holstein schließen sich an, so dass am Ende 34.000 Arbeiter im Ausstand sind.

Arbeitgeber haben Angst und fahren einen harten Kurs

Die Arbeitgeber fahren von Anfang an einen harten Kurs gegen die Arbeiter, denn sie haben Angst, dass sich die Streiks auf ganz Deutschland ausweiten und den gerade wieder begonnenen Aufschwung ausbremsen. Sie befürchten, dass die Lohnfortzahlung dazu führt, dass die Arbeiter vermehrt „krankfeiern“ werden. Sie gehen mit größtmöglicher Härte gegen die Arbeiter vor und versuchen, sie mit allen Mitteln in Misskredit zu bringen und ihnen damit den Rückhalt in der Bevölkerung zu nehmen.

Die Arbeitgeberseite geht letztendlich auf die Arbeiter zu. Nach 114 Tagen wird der Streik beendet. Die Lohnfortzahlung wird gesetzlich geregelt. Aber erst 1970 kommt die vollständige Gleichstellung zu den Angestellten. Es war der längste Streik in der Geschichte der Bundesrepublik.

Fiktive Geschichte, Zeitzeugen und Originalaufnahmen

Das Dokudrama setzt sich aus drei Elementen zusammen: der fiktiven Geschichte rund um Familie Freese und ihre Angehörigen und Freunde, Originalaufnahmen aus den 50er Jahren und Interviews mit Zeitzeugen und deren Nachfahren. Bekanntester Zeitzeuge ist Björn Engholm, den die Umstände rund um den Streik als 17-jährigen Schüler zur Politik brachten.

Gerade den Spielszenen gelingt es, die Stimmung in den 50er Jahren einzufangen und den Streik auch aus heutiger Sicht plausibel und verständlich zu machen. Nicht von ungefähr steht er am Tag der Arbeit auf dem Programm und zeigt die Bedeutung, die dieser Tag einmal hatte.

“Die Mutigen” – 56. Deutschlands längster Streik: Mittwoch, 1. Mai, 21.45 Uhr, ARD und in der ARD-Mediathek