UK 1/2016, Religion in der Gesellschaft (Seite 4: „Religion verliert für Deutsche an Bedeutung“)
Wenn Nürnberger Marktforscher herausgefunden haben, dass sich nur etwa die Hälfte der Deutschen als „gläubig“ einschätzt und rund 57 Prozent „keinerlei Glaubensrituale“ pflegen, dann ist diese Selbsteinschätzung einfach falsch. Völlig irreführend wird es, wenn die Presse daraus die Überschrift formuliert „Religion verliert für Deutsche an Bedeutung“.
Da es keinen Menschen gibt, der an gar nichts glaubt, keinen Deutschen, der sich nicht innerlich irgendwie rückversichert und sein Vertrauen auf irgendetwas oder irgendjemanden setzt, um sein Denken und Fühlen daran zu binden (lateinisch: religio), kann die Bedeutung der Religion gar nicht schwinden. Es fragt sich nur, woran man sich innerlich bindet. Hier ist unsere Zeit allerdings dabei, die Akzente von dem allmächtigen Gott, den die Kirchen verkündigen, auf Alltagsgötter zu verlagern.
Grundsätzlich muss eben immer und immer wieder auf Martin Luthers Erklärung zum ersten Gebot der Bibel in seinem Großen Katechismus hingewiesen werden: „Worauf du nun dein Herz hängest und verlässest, das ist eigentlich dein Gott“.
Um diesen eigentlichen Gott geht es, an den kein Marktforschungsinstitut herankommt. Denn was die Leute auf Befragung sagen, ist wohl selten das, was sie wirklich glauben, nicht einmal das, was sie zu glauben oder nicht zu glauben meinen. Und Luthers Satz gilt gar nicht zuerst den so genannten Atheisten, die es als Gottlose gar nicht gibt, sondern bis heute den öffentlichen Namens-, kirchlichen Verwaltungs-, den heimlichen Pseudo-Christen. Es gilt auch uns als indirekte Frage: An wen oder was glaubst du wirklich und eigentlich?
Nein, die Religion verliert nicht an Bedeutung in Deutschland, sondern ist dabei, sich aus einer christlichen in eine Spielart der weltlichen Religion zu verwandeln, deren Götter Geld oder Erfolg, Vernunft oder Wissenschaft heißen und die meist nicht einmal als Götzen erkannt, aber doch geglaubt und angebetet werden.
Wolfgang Kopplin, Plettenberg
Artikel teilen: