Die Kirche von Borgsdorf, im Berliner Speckgürtel gelegen, ist zumindest von außen ein eher unscheinbares Gebäude: ein kleiner, rechteckiger Saalbau ohne den für Kirchgebäude typischen Turm. Ein Nachkriegsbau. Als einer der wenigen Kirchenneubauten wurde er während der DDR errichtet. Das war 1953 und somit feiert die Kirchengemeinde Borgsdorf-Pinnow, die nördlichste Gemeinde des Kirchenkreises Berlin-Nord-Ost, am ersten Septemberwochenende das 70. Jubiläum.
Der Neubau war nicht etwa Ersatz für ein historisches Sakralgebäude, das im Krieg zerstört worden wäre. Es war ein ganz neuer Bau für einen Ort, der in der Nachkriegszeit zahlreiche Einwohner dazugewann.
Bevölkerungszuwachs in der Region bis heute
Der zweite Einwohnerzuwachs in Borgsdorf fand mit dem Umzug von Bundestag und Bundesregierung nach Berlin statt. Zahlreiche Bundestagsmitarbeiter und auch einige Abgeordnete bezogen hier Wohnungen und ließen auch die Kirchengemeinde personell stark wachsen. Heute gibt es in dem Ort mit 5 000 Einwohnern 800 Gemeindeglieder mit für die Region untypisch steigender Tendenz. Das bringt auch Ost-West-Konflikte mit sich, weiß Pfarrerin Ulrike Telschow.
Die noch in der DDR aufgewachsenen Gemeindeglieder vereine die Diskriminierungserfahrung als Christ*innen, berichtet sie. „Gegenüber der Kirche stand die Schule, und die Jugendlichen bekamen höhnische Blicke und entsprechende Bemerkungen ihrer Mitschüler, wenn sie in die Kirche gingen.“ „Anfang der 1950er Jahre begann der Staat, die Kirchen immer weiter einzuschränken“, heißt es im Gemeindebrief. „Dennoch wurde gerade in dieser Zeit der Bau unserer Kirche genehmigt und erfolgreich beendet.“
Einweihung der Kirche mit Bischof Dibelius
Am 30. August 1953 weihte der damalige Bischof Otto Dibelius den Neubau ein. Der Gemeinde war der Bau ein wichtiges Anliegen, mussten die Mitglieder doch bis dahin zum Gottesdienst immer nach Pinnow gehen. Meist zu Fuß, es war Nachkriegszeit. Zehn Jahre später, im Juli 1963, wurde ein separater Glockenturm neben dem Kirchengebäude errichtet.
Seit 1995 muss die Gemeinde im Gottesdienst auch nicht mehr auf Orgelklänge verzichten. Sie erwarb eine von der Kirche in Mühlheim an der Ruhr demontierte Orgel, die im selben Jahr in Borgsdorf eingeweiht wurde. Seit 2008 steht der unspektakuläre Bau unter Denkmalschutz – als Beispiel für eine von ganz wenigen zu DDR-Zeiten errichteten Kirchen. Integriert in den Kirchenbau war eine Wohnung für den damaligen Heizer. Dort wohnt heute eine georgische Familie im Kirchenasyl.
70. Geburtstag der Kirche mit Zeitzeugen
„Die Jubiläumsfeier ist unserer Gemeinde sehr wichtig“, sagt Pfarrerin Ulrike Telschow. Vor allem einem „festen Kern von älteren Gemeindegliedern, die schon in der DDR dabei waren“. Nach 70 Jahren sei es noch möglich, mit Zeitzeugen aus der Entstehungszeit der Kirche ins Gespräch zu kommen. Da ist beispielsweise Jürgen Rosinsky vom Geschichtsverein der weltlichen Gemeinde Borgsdorf, der den Festvortrag halten wird. Ulrike Telschow: „Er ist bereits Mitte 80.
Er hat viel in Archiven zu unserer Geschichte geforscht und kennt sich damit aus wie kein Zweiter.“ Da sind aber auch die Söhne des damaligen Pfarrers, die Geschichten aus der Entstehungszeit erzählen können. „Beispielsweise wurden am S-Bahnhof Borgsdorf die für den Bau benötigten Nägel beschlagnahmt, die aus West-Berlin kamen. Das wusste der Pfarrer.“ Er habe die Nägel darum aus dem Fenster der S-Bahn geworfen und die Söhne hätten sie aufgesammelt. Nicht ganz so kompliziert war der Transport der Steine. Der erfolgte über die Havel. „Wir feiern ein ganzes Festwochenende vom 1. bis 3. September und würden uns freuen, wenn viele Leser*innen der Kirchenzeitung kommen“, sagt die Pfarrerin.
Jubiläumsprogramm in der Kirche Borgsdorf:
Am Freitag, 1. September, geht es los mit Kirchenkino für Kinder und Erwachsene. Um 17 Uhr wird der im Entstehungsjahr produzierte Film „Pünktchen und Anton“ gezeigt, eine Verfilmung eines Romans von Erich Kästner.
Um 20.30 Uhr geht es weiter mit dem Film „Einer trage des anderen Last.“ Der 1988 uraufgeführte DEFA-Film von Lothar Warnecke spielt in den 1950er Jahren und thematisiert das Verhältnis eines Volkspolizisten und eines evangelischen Vikars im besonderen Umfeld einer Tuberkuloseklinik.
Am Samstag, 2. September, ist die Kirche von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Es gibt neben einem historischen Vortrag auch Führungen, Musik, Fotos aus der Entstehungszeit und die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen.
Am Sonntag, 3. September, findet der Festgottesdienst mit Pröpstin Christina-Maria Bammel statt. Auch ein Kindergottesdienst wird angeboten. Für Verpflegung ist ebenfalls gesorgt.
Marina Mai ist freie Autorin