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Die Bibel lesen

Woche vom 2. bis 8. Oktober

Sonntag:    Psalm 65
Montag:     Ester 1, 1-22
Dienstag:     Ester 2, 1-18
Mittwoch:     Ester 2, 19 – 3, 6
Donnerstag:     Ester 3, 7-15
Freitag:     Ester 4, 1-17
Samstag:     Ester 5, 1-14

Das Buch Ester gehört für Juden zum Purimfest wie für Christen die Weihnachtsgeschichte zum Heiligen Abend. Zu Purim wird die Geschichte dieser bemerkenswerten Frau vor Großen und Kleinen gelesen, oft mit allerhand Verkleidungen wie beim Karneval. Immer, wenn der Name des Bösewichtes Haman im Text vorkommt, erschallt aus der versammelten Runde ein lautes „Buh!“ oder „Huh!“; es wird gerasselt und gescharrt oder getan, was sonst den gemeinsamen Unmut lärmend zum Ausdruck bringen kann. Wer einmal die Gelegenheit hatte, Purim in einer israelischen Schule zu erleben, der wird den fröhlichen „Rabatz“, der da abgeht, nicht vergessen.

Denn während der babylonischen Gefangenschaft – so jedenfalls will es das Esterbuch – bestimmte dieser persische Minister Haman, dass die Juden, nachdem der Tag durch das Pur, das Los, bestimmt war, ausgesondert werden sollten und sterben mussten. Die schöne Königin (und Jüdin!) Ester konnte das durch Fürsprache bei ihrem Mann und König verhindern. Stattdessen wurde der hasserfüllte Minister hingerichtet, just an den Galgen, die er bereits für die Juden hatte errichten lassen.

Das ist im Vergleich zu den sonstigen Erfahrungen, die Juden im Verlaufe ihrer langen Geschichte machen mussten, fast zu schön, um wahr zu sein. Bei all den Pogromen und Leidenszeiten ist eine so wunderbare Rettung zu selten vorgekommen. Auch die Ester-Geschichte ist nicht belegt, und davon könnte man bei solch einem ungewöhnlichen Ereignis immerhin ausgehen. Außerdem: Das Buch Ester spielt im 5. Jahrhundert vor Christus, ist aber wahrscheinlich erst nach 150 vor Christus, also 140 oder gar erst um 120 geschrieben worden.

Und in der Tat: Die Ereignisse, die in dem Buch geschildert werden, sind historisch nicht nachweisbar. Die Babylonier wollten Integration und praktizierten weitgehende Religionsfreiheit Deswegen wäre ein so fanatischer Minister, noch dazu mit solch wahnwitzigen Absichten der „Los-Tötung“, für jene Zeit kaum vorstellbar.

Das bedeutet bei den Schwierigkeiten der Forschung zwar noch nicht, dass damit die Geschichte der Ester überhaupt nicht stattgefunden haben kann, aber man muss zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass das Buch Ester weniger ein historischer Bericht ist als vielmehr die Schilderung eines „Traums“; von Menschen, die selbst gerade unter den entsetzlichen Verfolgungen litten und an ihrer letzten Hoffnung festhielten. Es ist die Sicht der Opfer, die hinter jedem Wort zu spüren ist: So stellen sie sich das vor, dass irgendwo – vielleicht durch den Wagemut einer Frau – auch für sie Rettung geschehen wird. Die Makkabäer, und das ist die Zeit, in der das Buch Ester entstand, kämpften einen wagemutigen und doch verzweifelten, hoffnungslosen Kampf gegen die Übermacht der Griechen.