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Dialog zweier Künstler

Kennengelernt haben sich Joan Miró und Antoni Tàpies 1948 in Barcelona. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Liebe zur katalanischen Heimat und deren Tradition entstand daraus eine Künstlerfreundschaft, bei der sie sich gegenseitig immer wieder beeinflussten. Die Parallelen und Anknüpfungspunkte im Werk der beiden bedeutenden spanischen Künstler beleuchtet seit Samstag die Sonderausstellung „Tàpies/Miró – Welt auf Papier“ im Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster.

Anlass für die Schau ist Tàpies 100. und Mirós 130. Geburtstag. Gezeigt werden rund 100 Lithografien, Radierungen, Holzschnitte und Aquatinten, die in unterschiedliche Themenkomplexe gegliedert sind. Unter anderem geht es um die Entwicklung einer „anderen“ Kunst, um die Beziehung von Körper und Objekt, um den Einsatz von Schrift oder um Literatur und Buchkunst. „Gemeinsam ist den beiden Künstlern einerseits ihr Bekenntnis zur kulturellen Prägung durch ihr Heimatland und andererseits der Anspruch, Vertreter der internationalen Avantgarde zu sein. Dieser Spagat ist von großer Aktualität“, sagt Museumsleiter Markus Müller. Die Sonderschau ist bis zum 21. Januar 2024 zu sehen.

Der Titel „Welt auf Papier“ bezieht sich einerseits auf den konkreten Bezug zur Wirklichkeit im Schaffen der beiden Künstler – beispielsweise durch die Verwendung von Gegenständen wie Zeitungsausschnitten oder Kleidungsstücken. Andererseits thematisiert er den historischen Kontext, denn das Werk von Miró (1893-1983) und Tàpies (1923-2012) ist eng mit der Geschichte Spaniens von der Opposition gegen das Franco-Regime bis zur Demokratisierung verbunden. „Wir erleben in der Ausstellung einen künstlerischen Dialog, der Einblick gibt, wie sich die Bildsprache der Nachkriegsavantgarde entwickelt hat, und haben zudem die Möglichkeit, mit den Augen von Tàpies die Radikalität Mirós und mit Mirós Augen die Bildpoesie von Tàpies neu zu entdecken“, sagt Kurator Alexander Gaude.

Beide Künstler haben eine intuitive Bildsprache entwickelt, die mit traditionellen Mustern bricht und sich durch eine gestisch-impulsive Gestaltungsweise artikuliert. Aber auch die Unterschiede werden deutlich: Während Mirós Werke bunter sind und eine eher spielerische Note aufweisen, präsentieren sich Tàpies Arbeiten deutlich abstrakter, düsterer und verschlossener. Er selbst hatte es einmal so formuliert: „Bei Miró geht es immer um das Außen, um Landschaft und Kosmos. Bei mir hingegen um das Interieur.“

Eine weitere Gemeinsamkeit sei das politische Engagement, das bei Tàpies deutlicher, bei Miró diplomatischer zum Ausdruck komme, erklärt Gaude und verweist auf Motive wie Sichel und Barretina, die Tàpies immer wieder verwendet und damit Katalaniens Kampf um Autonomie thematisiert. Auch bei dem Werk „Weiß, Seil und Dreieck“ von 1973 ist die politische Aussage deutlich. Auf der Druckgrafik sind auf dem weißen Hintergrund Beschädigungen durch Schläge und Streifen von Wundpflaster zu erkennen. Zusammen mit dem Seil verweisen sie auf Folter und Misshandlung im Franco-Regime.

Die Werke Mirós kommen aus der Sammlung des Picasso-Museums, die von Tàpies aus der Sammlung Großhaus, die zu den bedeutendsten Kollektionen des katalanischen Künstlers außerhalb Spaniens zählt. Die Ausstellung unter der Schirmherrschaft der spanischen Botschaft ist den Angaben zufolge Teil der internationalen Feierlichkeiten des Jubiläumsjahres „Tàpies Lives/Living Tàpies“, das von der Fundació Tàpies Barcelona initiiert wurde. Neben dem Kunstmuseum Pablo Picasso Münster sind zahlreiche andere europäische Museen wie das Museo Reina Sofia in Madrid oder das Bozar in Brüssel beteiligt.