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Diakonie RWL unterstützt Opfer in Strafverfahren

Künftig werden Mitarbeitende der Diakonie in die psychosoziale Prozessbegleitung für Opfer von Gewalttaten einsteigen. Was es mit dem neuen Arbeitsfeld auf sich hat, darüber sprach Sabine Damaschke mitDiakonie RWL-Referentin Sabine Bruns.

Psychosoziale Prozessbegleitung klingt etwas sperrig. Was genau steckt dahinter?
Der Beginn eines Strafverfahrens bedeutet für viele Menschen, die schwere Gewalt oder sexuellen Missbrauch erlebt haben, dass Erinnerungen und Ängste, Scham und Schuldgefühle zurückkehren. Die meisten kennen den Ablauf eines Strafverfahrens nicht und fürchten, etwas Falsches zu sagen, das ihnen schadet. Außerdem haben sie Angst vor der Konfrontation mit dem Täter. Sie werden ein zweites Mal zum Opfer. Wenn jemand an ihrer Seite ist, der ihnen erklärt, wie das Strafverfahren funktioniert, juristische Fachbegriffe übersetzt und auch mit in den Gerichtssaal geht, dann beruhigt sie das. Genau dies ist die Aufgabe eines psychosozialen Prozessbegleiters.

Warum hat sich der deutsche Staat entschieden, künftig professionelle Prozessbegleiter zu finanzieren?
Zwar gibt es schon vielerorts Prozessbegleitung und Zeugenbegleitprogramme, aber sie unterscheiden sich stark. Der Gesetzgeber möchte dafür professionelle, interdisziplinär geschulte Fachkräfte, die nach ähnlichen Standards arbeiten – und die – so heißt es im dritten Opferschutzreformgesetz – zur Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und der Trennung von Beratung und Begleitung verpflichtet sind. Verschiedene Modellprojekte haben nämlich gezeigt, dass eine gute Prozessbegleitung dabei hilft, Kinder, Jugendliche und erwachsene Opfer von sexueller Gewalt, Misshandlung oder Menschenhandel zu stabilisieren und ihre Retraumatisierung durch die juristische Befragung oder Konfrontation mit dem Täter verhindert. Das gehört zum Opferschutz. Einen ruhigen und aufmerksamen Zeugen vor Gericht zu hören, nützt aber auch dem gesamten Strafverfahren.

Welche Gruppen haben einen Anspruch auf diese Prozessbegleitung?
Es sind zunächst minderjährige Opfer schwerer Sexual- und Gewaltstraftaten, aber auch Erwachsene, die Opfer einer solchen Straftat wurden, ihre Interessen aber nicht selbst durchsetzen können. Dazu gehören zum Beispiel Menschen, die psychisch krank sind, eine Behinderung haben oder einer Minderheit angehören und besonders schutzbedürftig sind. Diese Opfergruppen haben ab Januar 2017 einen Rechtsanspruch auf die psychosoziale Prozessbegleitung. Sie können darauf bei Gericht einen Antrag stellen. Die Justiz trägt die Kosten.

In NRW hat die Justiz beschlossen, dass sie die Psychosoziale Prozessbegleitung ausschließlich den Wohlfahrtsverbänden übertragen will. Warum?
Ich finde, es ist eine gute Ergänzung zu all den sozialen Hilfen, die wir bereits anbieten. Unsere Mitarbeitenden begleiten oft verunsicherte Menschen, denen sie Ängste nehmen und die sie stärken müssen. Außerdem bringen sie für die einjährige Ausbildung zum Prozessbegleiter die Voraussetzungen mit, die der Gesetzgeber fordert. Man muss nämlich einen Hochschulabschluss im Bereich Sozialpädagogik, Soziale Arbeit, Pädagogik, Psychologie oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem dieser Bereiche vorweisen.

Rechnen Sie damit, dass sich die Psychosoziale Prozessbegleitung als festes diakonisches Arbeitsfeld etablieren wird?
Das hoffe ich sehr. Dieser neue Rechtsanspruch ist ein Meilenstein im Opferschutz. Es steht uns als Diakonie sehr gut an, das zu unterstützen. Meine Aufgabe wird es sein, für die Prozessbegleiter diakonischer Träger und Einrichtungen aus unserem Verbandsgebiet eine gute Vernetzung und einen Austausch hinzubekommen und sie wiederum in ihrer Arbeit fachlich zu beraten.