Erstmals seit 2020 hat Deutschland weniger Geld für ärmere Länder ausgegeben, als international vereinbart. Im Vergleich reicht es zwar noch für einen Spitzenplatz – schützt aber nicht vor Kritik.
Im vergangenen Jahr ist Deutschland hinter dem UN-Finanzierungsziel für Entwicklungszusammenarbeit zurückgeblieben. Nach vorläufigen Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stellte Deutschland 2024 insgesamt 0,67 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Unterstützung ärmerer Länder bereit.
Mit rund 30 Milliarden Euro lagen die Entwicklungsausgaben um rund 5 Milliarden Euro niedriger als im Vorjahr, wie das Entwicklungsministerium am Mittwoch mitteilte. Damit habe Deutschland erstmals seit 2020 nicht das international vereinbarte Ziel erreicht, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen. 2023 hatte der Anteil in Deutschland noch bei 0,82 Prozent gelegen.
Hinzu kommt: Ohne Berücksichtigung der Ausgaben für Flüchtlinge im Inland läge die deutsche Quote nur bei 0,54 Prozent. Knapp 20 Prozent der geleisteten Entwicklungsausgaben entfielen auf die Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten. Diese Kosten werden nach den international angewandten Berechnungsmethoden im ersten Jahr nach der Ankunft der Schutzsuchenden angerechnet.
Gemessen an seiner Wirtschaftskraft lag Deutschland im Vergleich laut Ministerium auf Platz fünf hinter Norwegen (1,02 Prozent), Luxemburg (1,00 Prozent), Schweden (0,79 Prozent) und Dänemark (0,71 Prozent). In absoluten Zahlen waren 2024 die USA mit umgerechnet 58,5 Milliarden Euro noch der größte Geber im Entwicklungsbereich.
Der entwicklungspolitische Dachverband Venro kritisierte, dass die Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit im vergangenen Jahr global um 7,1 Prozent abgenommen habe. Er warnte vor einer dramatischen Entsolidarisierung der reichsten Länder. Die Unterstützung für humanitäre Hilfe sei mit 9,6 Prozent noch deutlicher zurückgegangen. Die OECD rechne zudem mit einem weiteren Absinken der Mittel in diesem Jahr.
“In einer Zeit multipler Krisen und zunehmender globaler Ungleichheiten ist es ein fatales Signal, dass sich die Industrienationen mehr und mehr aus ihrer internationalen Verantwortung zurückziehen”, sagte der Venro-Vorsitzende Michael Herbst. Dass die ärmsten Menschen im Stich gelassen würden, sei verantwortungslos und kurzsichtig. Während die USA sich fast vollständig aus der Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit zurückzögen, stiegen die globalen Bedarfe rasant.
Auch die Entwicklungsorganisation Oxfam warnte davor, dass sich angesichts der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von Union und SPD ein noch dramatischerer Rückgang der deutschen Unterstützung für einkommensschwache Länder abzeichne – mit unabsehbaren Folgen: “Wir erleben gerade nichts weniger als eine entwicklungspolitische Zeitenwende.” Einsparungen in diesem Bereich hätten langfristige Folgen für globale Stabilität, Frieden und Sicherheit.