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Der Tod ist ein Blender

Gott kommt in die Welt – was heißt das? Angesichts von Not und Gewalt, Leid und Tod? Die Hagener Grafik-Designerin Martina Döbler zeigt, wie die Botschaft von Weihnachten die Menschen an die Grenze führt: vom Dunkel ins Licht

Menschen. Viele Menschen. Sie kommen aus der Dunkelheit und schauen ins Licht. Das Bild, das die Hagener Grafik-Designerin Martina Döbler für UK als Weihnachtstitelbild (Seite 1) geschaffen hat, lebt von den starken Kontrasten. Hell – dunkel. Warm – kalt.

Es bleibt allerdings völlig offen, was die Menschen auf dem Bild denken und empfinden. Was sie dazu gebracht hat, sich im Halbkreis aufzustellen und auf die Krippe zu schauen. Fühlen sie sich vom Lichtschein angezogen? Sind sie neugierig? Skeptisch? Voll Ablehnung? Oder Erwartung?
Man kann keine Gesichter erkennen. Aber irgendetwas hat die Menschen dorthin geführt. Und jetzt stehen sie da, an der Grenze zwischen Licht und Dunkelheit.
Was erwartet die Welt heute noch von der Weihnachtsbotschaft: „Friede auf Erden! Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren!“? Inmitten von Terrorattacken, Kriegen, innenpolitischen Verwerfungen, Debatten um Flüchtlingsheime und Grenzschließungen, Kippeln des Friedens-Projekts „Europa“. Gibt es da überhaupt noch eine Erwartung?
Wenn man etwas länger zuschaut, kann man die Szene auch ganz anders verstehen: Die Menschen machen einen Bogen um die Krippe. Sie weichen ihr aus. Die Krippe stört. Vielleicht ist das strahlende Licht unangenehm. Weil es erhellt, was man lieber im Dunklen ließe. Die Krippe an sich ist ja schon eine Zumutung. Zwei Menschen im Notlager, und die Frau dazu noch hochschwanger. Das soll das „Heil der Welt“ sein? Der Schlüssel zu unseren Herzen? Das ist doch lächerlich. Peinlich. Eine Zumutung. Absurd für jeden, der auch nur ein bisschen Ahnung davon hat, wie die Welt funktioniert.
Ja, die Botschaft des christlichen Glaubens ist absurd. Sie steht kreuz und quer zu allem, was der vermeintlich gesunde Menschenverstand lehrt: Gott kommt in die Armut. Er wählt den Weg der Ohnmacht. Er geht ins Leid. Gott will mit leiden. Er fordert die Menschen auf, die Waffen wegzulegen. Füreinander da zu sein. Er selbst opfert sich auf. Für uns.
Das ist Jesus Christus. Nicht nur das süße Jesuskind. Sondern auch der Lehrer. Das Vorbild. Der Erlöser, der die Menschen von Schuld befreit und von ihrem selbst gewählten Weg in die Dunkelheit.
Gott kommt in die Welt. Das ist wie ein Wegweiser: Es geht weiter. Über die Begrenztheit menschlichen Lebens hinaus. Über den Tod hinaus. Wer an die Krippe tritt und sich in ihr Licht wagt, der sieht: Angst und Sorgen müssen keine Macht mehr haben. Um sich selbst. Die Familie. Die Angehörigen. Das Land. Europa. Die Welt.
Die Botschaft von Weihnachten und von Ostern gehört zusammen. Sie lautet: Es geht weiter. Wer nur mit dem Vermögen menschlichen Verstandes und menschlicher Erfahrung in diese Welt blickt – tatsächlich, der droht zu verzweifeln. Denn dann endet alles immer wieder an Not, Gewalt, Leid und Tod.
Aber der Tod ist ein Blender. Er hat nicht das letzte Wort. Das kann man sehen, spüren und in sein Herz hineinlassen, wenn man an die Krippe tritt und ihr nicht ausweicht.
Aus dem Dunkel. Ins Licht.
Gott liegt in der Krippe. Er wartet da auf dich.