Erst “Der Vorname”, dann “Der Nachname” – und weil es so erfolgreich war, folgt jetzt “Der Spitzname”. Dritte Komödie um zwei Familien, die sich diesmal bei einer Hochzeitsfeier in den Tiroler Alpen verbal beharken.
Menschen, die Ingrid oder Manfred heißen, kann man, auch ohne sie zu kennen, ziemlich sicher bestimmten Geburts-Jahrzehnten zuordnen. Für Menschen, die Müller oder Schmidt heißen, gilt das nicht. Dafür erzählen diese Namen etwas über die einstige Bedeutung von Berufsfeldern, die auf dem aktuellen Arbeitsmarkt keine große Rolle mehr spielen. Wenn in Vornamen Zeitgeist und in Nachnamen Geschichte sedimentiert sind, was bilden dann Spitznamen ab?
Eine interessante Fragen, die in Sönke Wortmanns “Der Spitzname” aber nicht die geringste Rolle spielt. Wer die Vorgängerfilme “Der Vorname” und “Der Nachname” kennt, wird sich darüber kaum wundern.
Dass man sich im familiären und gesellschaftlichen Alltag nicht einmal mehr über Namen einigen kann, ist die Diagnose, von der aus sich die Filme als im bürgerlichen Milieu angesiedelte Gesellschafts- und Familienkomödien entfalten. In “Der Spitzname” funktioniert das so, dass sich die Mitglieder des erweiterten Berger-Böttcher-Clans in einer frühen Szene über ihre jeweiligen Spitznamen austauschen – und das Thema im Folgenden fast komplett unter den Tisch fallen lassen.
Dafür bringt der Film als Neuerung innerhalb der Serie ein weiteres Genre ins Spiel: die Ferien- und Bergkomödien, die im deutschsprachigen Kino insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren en vogue waren. Wenn Wortmann sein Personal in die Tiroler Alpen verfrachtet, in ein Berghotel mitsamt Skigebiet, in dem die Hochzeit von Thomas (Florian David Fitz) und Anna (Janina Uhse) gefeiert werden soll, resultiert daraus gerade kein enthemmtes Lustspiel. Vielmehr werden die sehr bürgerlichen Großstadtprobleme der ersten beiden Filme einfach nur in eine andere Kulisse hineinkopiert.
Hier ist von Anfang bis Ende Schmoren im eigenen Saft angesagt; Urlaubsstimmung kommt keine Sekunde lang auf. Stephan (Christoph Maria Herbst), der als sozial unangepasster zwischenzeitlicher Ex-Professor immer noch die Hauptattraktion darstellt, darf immerhin ein paar zu bemitleidende Winterurlauber ummähen, wenn er unbeholfen auf dem Hosenboden über die Skipiste schlittert. Auch vermeintliche Frivolitäten wie Penisfotos in der Sauna sind kaum mehr als Futter für die ewig gleichen Neurosen.
Gefühlte drei Viertel des Films verlaufen nach gleichem Muster, bei dem die Familie beisammensitzt – zu Tisch, auf der Terrasse, in der Seilbahn – und eher verzweifelt nach Gesprächsthemen sucht. Auf jeden zweiten Satz, den irgendjemand sagt, springen entweder Stephan oder seine Tochter Antigone (Kya-Celina Barucki) an, um Grammatikfehler zu korrigieren oder eine inklusivere Sprache einzufordern, was das allgemeine Genervtheitslevel so lange erhöht, bis meistens Anna ein Machtwort spricht: “Heute ist meine Hochzeit! Wollt ihr euch nicht wenigstens einen Tag lang zusammenreißen!”
Wollen sie vielleicht schon. Allein, es klappt nicht. Die Sprachspiele, mit denen sich die Bergers, die Böttchers und die, die aus unerfindlichen Gründen zu Bergers oder Böttchers werden wollen, gegenseitig zur Weißglut treiben, haben sich längst verselbstständigt. Wobei Antigones bissige Hinweise auf unsensiblen Sprachgebrauch oder ihre Forderung, sie nicht mehr mit weiblichen, sondern geschlechtsneutralen Pronomen (they/them) anzureden, offensichtlich an tieferliegende gesellschaftliche Probleme rühren, wie sie zuletzt in ähnlicher Manier auch in Simon Verhoevens “Alter weißer Mann” verhandelt wurden.