Wenn man in diesen Maitagen durch Wiesen, Wälder und Parks lustwandelt, kann man ihn wieder hören: den Kuckuck. Sein unverwechselbarer Ruf ist für viele das deutlich hörbare Zeichen, dass der Frühling angekommen ist. Die Natur bricht ins Leben, die Tage sind lang, und für viele Menschen beginnt die schönste Zeit des Jahres – eine Zeit voller Lebensfreude und Hoffnung. Doch so vertraut sein „Kuckuck, Kuckuck“ klingt, so selten bekommt man den scheuen Vogel zu Gesicht.
Kuckuck: bekannter Ruf stammt nur von Männchen
Der Kuckuck (Cuculus canorus) ist etwa taubengroß, aber schlanker gebaut, mit einem langen, schwarz-weiß gebänderten Schwanz und schiefergrauem Gefieder beim Männchen. Weibchen sind oft bräunlich gefärbt. Er lebt bevorzugt in halboffenen Landschaften mit Hecken, Sträuchern und Bäumen – und bleibt dabei meist im Verborgenen. Viel häufiger als der Vogel selbst ist sein Ruf zu hören. Den lässt übrigens nur das Männchen ertönen – zur Kennzeichnung des Reviers und zum Anlocken der Weibchen.
Was viele nicht wissen: Der Kuckuck ist ein echter Langstreckenflieger. Jedes Jahr legt er rund 10000 Kilometer zurück, wenn er aus dem tropischen Afrika jenseits des Äquators zu uns nach Mitteleuropa kommt. Damit zählt er zu den Zugvögeln, die am spätesten im Frühling erscheinen – meist erst ab Ende April oder Anfang Mai. Ebenso früh zieht er bereits ab Juli oder August wieder gen Süden. Ein Grund dafür: Der Kuckuck kümmert sich nicht selbst um die Aufzucht seiner Jungen, sondern legt seine Eier in die Nester anderer Vögel und überlässt ihnen die Brutpflege. So kann er sich ganz auf die Eiablage konzentrieren und muss nicht auf die langsame Entwicklung der Jungen Rücksicht nehmen – ein Verhalten, das ihn in der Vogelwelt einzigartig macht.
Hoffnungsbringer und Nestbeschmutzer
Der Kuckuck ist nicht nur ein faszinierender Vogel, sondern auch ein vielschichtiges Symbol in Volksglauben, Poesie und Religion. Einerseits gilt er als Glücksbringer und Bote des Frühlings. In alten Liedern und Geschichten steht sein alljährliches Wiedererscheinen für Erneuerung, Hoffnung und sogar Auferstehung („Auf einem Baum ein Kuckuck“). Wer beim ersten Kuckucksruf Geld in der Tasche hatte, dem wurde Wohlstand verheißen. In der Poesie steht der Kuckuck oft für Neubeginn, für die Überwindung des Winters und für die Rückkehr des Lebens.
Doch der Kuckuck hat auch eine dunkle Seite: Wegen seines Brutverhaltens – das Weibchen legt seine Eier in fremde Nester, immer nur eines pro Nest, und überlässt die Aufzucht anderen Vögeln, dabei wirft das geschlüpfte Kuckucks-Küken alle anderen Eier oder Jungvögel aus dem Nest – gilt er im Volksglauben als Inbegriff von Betrug, Treulosigkeit und Charakterlosigkeit. Der Begriff „Kuckuckskind“ steht bis heute für ein Kind, das nicht vom vermeintlichen Vater abstammt. In der Literatur und im Volksmund wird der Kuckuck oft als Schurke und Schmarotzer dargestellt, der sich auf Kosten anderer durchs Leben schlägt.
Kuckuck als Stellvertreter für das Unheil
Diese zwiespältige Rolle spiegelt sich auch in Redewendungen und im Aberglauben wider. Der Spruch „Hol’s der Kuckuck!“ ist ein alter Fluch, der bis heute verwendet wird. Ursprünglich diente er als Ersatz für den Teufelsnamen, den man aus Angst vor bösen Mächten nicht aussprechen wollte. Der Kuckuck wurde so zum „Stellvertreter“ für das Unheil – ein Beispiel dafür, wie tief er in der Volksseele verankert ist.
Eine tragische Bedeutung hat der Kuckuck zudem im Alltag vieler Menschen gewonnen: Im Volksmund steht der „Kuckuck“ auch für den Gerichtsvollzieher. Der Ursprung liegt darin, dass bei einer Pfändung das amtliche Pfandsiegel – ursprünglich mit einem Adler versehen – auf Wertgegenstände geklebt wurde. Im Volksmund wurde daraus der „Kuckuck“, vermutlich auch, weil der Gerichtsvollzieher wie der Vogel „in fremden Nestern“ markiert, was nicht mehr dem Besitzer gehört. Bis heute sagt man, „der Kuckuck ist drauf“, wenn etwas gepfändet wurde – ein weiteres Beispiel für die Vielschichtigkeit dieses Vogels als Symbol.
Der Kuckucksruf in viele Kompositionen
Nicht nur Dichter und Erzähler, auch Komponisten ließen sich vom Kuckucksruf inspirieren. Schon in der Barockmusik taucht der charakteristische Ruf auf: Georg Friedrich Händel komponierte ein Duett zwischen Kuckuck und Nachtigall, in dem beide Vogelrufe nachgeahmt werden. Auch Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven bauten den Kuckucksruf in ihre Werke ein – besonders bekannt ist Beethovens „Pastorale“-Sinfonie, in deren zweitem Satz der Kuckuck musikalisch dargestellt wird. Ottorino Respighi widmete dem Kuckuck einen eigenen Satz in seiner Suite „Die Vögel“, und auch der französische Komponist Olivier Messiaen ließ sich von Vogelstimmen, darunter auch dem Kuckuck, inspirieren.
Kuckuck: Das klingt wie eine berühmte Rockband
Der typische Kuckucksruf besteht aus zwei Tönen, die meist eine kleine Terz auseinanderliegen – ein Intervall von eineinhalb Tonschritten. Diese kleine Terz ist in der Musik leicht wiederzuerkennen und prägt viele bekannte Melodien. Sie findet sich nicht nur in klassischen Werken, sondern auch in modernen Stücken wie dem weltbekannten Gitarren-Intro bei „Smoke On The Water“ von Deep Purple oder in Volks- und Kirchenliedern wie „Macht hoch die Tür“.
Dieser Tonabstand, die kleine Terz, steht in der Musik oft für Innigkeit, Sehnsucht und emotionale Tiefe – sie kann sowohl fröhlich als auch melancholisch klingen und ist deshalb so beliebt.
Gerade in der Kirchenmusik und den alten Kirchentonarten spielt die kleine Terz eine zentrale Rolle. Sie prägt viele Melodien, darunter auch den Wechselgesang im Gottesdienst: „Der Herr sei mit euch“ – „Und mit deinem Geiste“. Jedes Mal, wenn wir diese Worte singen, erklingt im Grunde die Melodie des Kuckucksrufs.
Kuckuck ist ein Symbol für Neuanfang und Hoffnung
Wenn wir also in diesen Tagen den Kuckuck wieder hören, lohnt es sich, einmal genauer hinzuhören – auf das, was sein Ruf in uns auslöst und was er über die Jahrhunderte an Bedeutungen gesammelt hat. Er ist ein Symbol für Neubeginn und Hoffnung, für Freiheit und Wandel, aber auch für die Widersprüchlichkeit des Lebens. Er steht für Glück und Auferstehung, aber auch für Betrug, Schläue und sogar für den Gerichtsvollzieher, der als „Kuckuck“ im Volksmund bis heute gefürchtet ist.
Und wer weiß: Vielleicht klingt im nächsten Gottesdienst, wenn wir gemeinsam singen, ein kleines Stück Kuckuck mit – als Erinnerung an die Schönheit und Vielschichtigkeit der Schöpfung und an einen Vogel, der weit mehr ist als nur ein Frühlingsbote. Nämlich auch ein Glückskind, ein Schurke, ein Fluch. Und ein Symbol für das, was uns alles so an Widersprüchlichkeiten im Leben begegnet.