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Der Giro d’Italia erweist dem Papst die Ehre

Nun beginnt sie wieder: die Hochsaison für Radsportfreunde. Den Auftakt der großen Rundfahrten macht traditionell der Giro d’Italia. Diesmal mit zwei besonderen Schlenkern.

Zum Auftakt geht es gleich mal von Meereshöhe auf knapp 780 Meter. Doch das dürfte für das Fahrerfeld des Giro d’Italia eher eine Routineangelegenheit sein. Schon außergewöhnlicher ist die Tatsache, dass das berühmte Radrennen am Freitag erstmals in seiner nun 116-jährigen Geschichte in Albanien startet. Ausgangspunkt für die folgenden mehr als 3.400 Kilometer ist die altehrwürdige Hafenstadt Durres.

Erst am vierten Tag landet der Tross um Spitzenfahrer wie Primoz Roglic und Egan Bernal in Italien, genauer gesagt in Alberobello in Apulien. Bekannt ist der Ort für seine weißen Rundhäuser, die Trulli, die seit 1996 zum Unesco-Weltkulturerbe zählen. An derlei Sehenswürdigkeiten werden die Sportler beim Kampf um das Rosa Trikot mutmaßlich keinen Blick verschwenden. Sie haben andere Sorgen auf der mit der Tour de France und der Vuelta in Spanien härtesten Radrundfahrt der Welt.

“Während die Tour dich mit ihrer Erhabenheit überwältigt, schafft der Giro dies mit seinem schieren Irrsinn. Bevor die Fahrer an einen Sieg in Italien denken können, müssen sie erst einmal überleben”, gab der irische Radrennfahrer Dan Martin einmal zu Protokoll. Er könne sich noch gut daran erinnern, wie er als junger Fahrer von den extremen Bedingungen geschockt gewesen sei “und mit Erstaunen Momente erlebte, von denen ich dachte, sie gehörten in eine andere Ära des Radsports”.

Der Giro hatte immer schon seine eigenen Gesetze. Als besonders fordernd ging die Ausgabe von 1914 in die Annalen ein. Monster-Etappen von 400 Kilometern, garniert mit schweren Unwettern, waren zu bewältigen. Für die Athleten gab es, seinerzeit nicht untypisch, Rotwein und rohe Eier. Dass unter diesen Bedingungen lediglich acht von 81 Fahrern durchhielten, erstaunt nicht wirklich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg elektrisierten die Duelle zwischen den beiden italienischen Heroen Gino Bartali und Fausto Coppi die Massen. Die Sportler galten als Inbegriff der Gegensätze, die ihr Heimatland in der Nachkriegszeit prägten, so der Historiker Benjo Maso. “Bartali, der Christdemokrat, stand für das traditionelle Italien und den Katholizismus; Coppi personifizierte den Modernismus, den kühlen Rationalismus und den Sozialismus.”

Der sportliche Wettstreit schlug sich auch in Literatur und Musik nieder. Der italienische Romancier Dino Buzzati (1906-1972) verglich die beiden Protagonisten mit Homers Helden Hektor und Achill. Der deutsch-italienische Schriftsteller Kurt Erich Suckert alias Curzio Malaparte (1898-1957) outete sich in seinem Essay “Die zwei Gesichter Italiens” als Fan Bartalis und erinnerte an eine Unterhaltung, die er mit Bartali über dessen Rad führte. “Findest du nicht, dass dein Fahrrad einem schönen Mädchen gleicht?”, fragte Malaparte. “Ein bisschen zu mager für meinen Geschmack”, so die Antwort Bartalis.

Zu Ehren Fausto Coppis heißt der höchste Punkt des jeweiligen Giro “Cima Coppi” – diesmal ist das der Colle delle Finestre mit 2178 Metern. Das Radsportportal quaeldich.de weiß zu berichten, dass im Jahr 2005, als der Pass im Piemont erstmals ins Programm des Giro aufgenommen wurde, die Südrampe asphaltiert und die nicht asphaltierte Nordrampe von Susa einer Generalüberholung unterzogen wurde. “Der Belag wurde bestmöglich gewalzt, und alle Anwärter auf das Rosa Trikot überstanden die Auffahrt auf Naturstraße unbeschadet.”

Das wird hoffentlich auch in diesem Jahr der Fall sein. Tags darauf, am 1. Juni, endet die diesjährige Rundfahrt so, wie sie begonnen hat: mit einer Premiere. Erstmals führt nämlich eine Etappe des Giro durch die Vatikanstadt. Von einem historischen Moment sprach der Sekretär der Vatikan-Behörde für Kultur und Bildung, Bischof Paul Tighe, im Vorfeld. Der verstorbene Papst Franziskus selbst habe die Initiative noch unterstützt.

Die Schlussetappe beginnt in Rom an den Caracalla-Thermen und endet am Circus Maximus. Gegen 15.30 Uhr werden die Fahrer im neutralen Modus die Vatikanstadt ansteuern. Durch den Eingang Petriano links vom Petersplatz, vorbei am Petersdom, über den Bahnhof, hinauf zum Helikopterlandeplatz auf dem 75 Meter hohen Vatikan-Hügel. Eine Bergwertung ist dort nicht mehr vorgesehen.