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Der Gang nach Emmaus führt durch den Checkpoint

Drei Orte im Heiligen Land streiten um den Titel des “wahren Emmaus”. In Qubeibe, bei vielen Experten auf Platz eins, leiten katholische Ordensfrauen ein Altenheim für bedürftige Palästinenserinnen – auf Top-Niveau.

Der Weg von Jerusalem nach Emmaus im Westjordanland führt heute durch Checkpoints und Tunnel, vorbei an Mauern und israelischen Siedlungen, mit vielen Umwegen. Statt der 60 Stadien – etwa 11 Kilometer – der biblischen Jünger am Ostermorgen sind es heute gefühlt doppelt so viele, mit tiefen Schlaglöchern und unkalkulierbarem Zeitaufwand für die Kontrolle an der Grenzmauer.

Inmitten des quirligen 4.000 Einwohner-Dorfs Qubeibe, von vielen Experten als die wahrscheinlichste von drei Möglichkeiten für das biblische Emmaus eingeschätzt, liegt in einer parkähnlichen grünen Oase das “Haus Emmaus”, ein Alten- und Pflegeheim für bedürftige palästinensische Frauen, das seit nunmehr 50 Jahren vom Orden der Salvatorianerinnen geleitet wird.

Schon 1902 hatte der Verein hier ein Grundstück erworben, es als Gäste- und Erholungsheim und schließlich als Hotel genutzt, bis es nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 lange leer stand. 1973 kamen dann die Ordensfrauen und widmeten sich einer Bevölkerungsgruppe, die in der orientalischen Welt durch fast alle sozialen Raster fällt: Alten und behinderten Frauen, die einen ungenügenden oder gar keinen familiären Rückhalt haben. Die Anfänge waren mühsam, Lebens- und Pflegebedingungen äußerst bescheiden, wie Schwester Hildegard Enzenhofer berichtet, die seit 2001 das Haus leitet. Schritt für Schritt wurde ausgebaut, verbessert. Und heute leistet das Haus eine professionelle und fürsorgliche Arbeit, die deutlich über dem regionalen Standard liegt.

Derzeit leben im Haus Emmaus 40 Frauen, die meisten sind sehr alt, 10 von ihnen sind behindert. Anfangs waren es nur Christinnen, heute machen Musliminnen etwa zwei Drittel aus. Mussten zu Beginn die Ordensschwestern allein mit Freiwilligen insbesondere aus Deutschland die Arbeit leisten, so gibt es heute auch 30 Mitarbeiter aus der Region. Es war ein hartes Stück Arbeit, Frauen aus dem Dorf für eine Arbeit zu gewinnen, erinnert sich Schwester Hildegard. Erst nach Gesprächen mit den Ehemännern konnten ab 2002 nach und nach weibliche Arbeitskräfte gewonnen werden. Damit habe man auch eine Bewusstseinsänderung für das Dorf bewirkt.

Überhaupt ist der Kontakt mit dem Dorf gut, berichtet die aus Oberösterreich stammende Schwester. Sie sei gut vernetzt und breit akzeptiert. Die Dorfbevölkerung betrachte das hier “als ihr Haus”. “Bei einem Brand in unserem Park kamen die Männer wie selbstverständlich und haben geholfen, oder als vor wenigen Jahren bei einem heftigen Schneefall viele Bäume umknickten.”

Seit 2007 ist im Haus Emmaus in Verbindung mit der Universität Bethlehem eine Krankenpflegefakultät eingerichtet. 160 Krankenpflegerinnen und zunehmend auch Männer durchlaufen hier ein vierjähriges Ausbildungsprogramm – auf hohem professionellen Niveau mit guten Berufschancen. Die Absolventen von Emmaus werden mit Handkuss von Krankenhäusern und Pflegeheimen übernommen, arbeiten heute als OP-Schwester und als Stationsleiterin.

Erschwert hat sich mit der politischen Entwicklung in der Region auch die Lage des Heims. Konnte man anfangs zum Mitarbeiterausflug nach Nazareth fahren, so beschränkt sich der Radius jetzt auf das Westjordanland und dort immer mehr auf die nähere Umgebung. Die meisten Heimbewohner kommen aus dem nahen Ramallah oder christlichen Dörfern in der Umgebung.

Zum Credo ihres Dienstes gehöre die “Wertschätzung des Menschen”, auch um der Gesellschaft ein positives Beispiel zu geben, so die Leiterin. Ziel des Hauses sei es, “ein Mehr an Leben zu ermöglichen”. Das gilt für die Ausbildung, für die Arbeit der Frauen, für die Beschäftigung von Männern, die hier als Köche oder als Gärtner im großen Park tätig sind. “Es ist ein christliches Zeugnis in einer mehrheitlich muslimischen Welt, in der wir unser Ordenscharisma leben. Und ich hoffe und wünsche mir, dass es weitergeht”, sagt Hildegard Enzenhofer.

Und auch der Träger von Haus Emmaus, der Deutsche Verein vom Heiligen Lande, ist zum Jubiläum stolz auf sein Projekt. “Qubeibe ist das karitative Herz des Vereins”, sagt Generalsekretär Matthias Vogt. Der Verein sei vor allem stolz darauf, dass dort zwei Ordensgemeinschaften – Salvatorianerinnen und Missions-Franziskanerinnen – “gemeinsamen dienen, arbeiten und für bedürftige palästinensische Frauen da sind”.