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“Der Clown kann alles”

In Zimmer 20 der Station „Strand“ in der Cnopfschen Kinderklinik in Nürnberg findet ein Fotoshooting statt. Celina (15) kann gar nicht so schnell gucken, wie sie von den beiden Klinik-Clowns mit Stoffhut, Schleife, roter Nase und einem roten Luftballon in Herzform dekoriert wird. Die kleinen Lampen an den Krankenhausbetten dienen als Scheinwerfer, Dr. Beppo pustet Celina mit seiner Ballonpumpe ins Haar, dass es nur so fliegt. „Wie die Marylin!“, ruft er begeistert, „oder ‘Vom Winde verweht’!“ Dr. Maggie McDudel sorgt für den richtigen Soundtrack und schmettert „Somewhere over the rainbow“. Nach einigen Minuten zieht der Wirbelsturm in Clownform weiter ins nächste Zimmer.

„Das war ziemlich lustig. Mal was anderes, das hätte ich so nicht erwartet“, sagt Celina nach dem Besuch. „Für die Kinder ist das toll. Wenn sie gerade Schmerzen haben oder traurig sind, kann das sehr aufmunternd wirken“, fügt ihre Mutter Marina Fuchs hinzu. Eins der erklärten Ziele der Klinik-Clowns ist es, Kinder von ihrer Krankheit abzulenken. Aber auch die Eltern freuen sich immer wieder über die Abwechslung im Klinikalltag. „Wir machen ein Angebot. Und wir können auch abgelehnt werden, wenn die Kinder gerade keine Lust auf uns haben oder sich lieber einen Film auf ihrem Tablet anschauen. Wir haben ja keinen festgelegten Therapieauftrag“, sagt Dr. Beppo, der im richtigen Leben Stefan Drücke heißt und seit 16 Jahren als Klinik-Clown arbeitet.

Seine Arbeitsuniform besteht aus einer gelben Hose, einem rot-weiß geringelten T-Shirt mit gigantischer Krawatte und einem ockerfarbenen Stoffhut. Nicht fehlen dürfen außerdem der weiße Kittel mit der Aufschrift „Klinik Clowns“ und der lederne Arztkoffer, in dem sich hauptsächlich Luftballons befinden. Der Doktortitel ist bei den Clowns Ehrensache, der Beruf dagegen mit strengen Qualifikationsanforderungen verknüpft. Voraussetzungen sind eine künstlerische Ausbildung im darstellenden Bereich, Improvisationsfähigkeit und eine große Portion Einfühlungsvermögen.

Drücke ist Schauspieler, seine Kollegin Susanna Curtis alias Dr. Maggie McDudel Choreografin und Tänzerin. Vor 19 Jahren stieß die auf die Klinik-Clowns und meldete sich zum Casting an. Sie besucht nicht nur einmal pro Woche die Cnopfsche Kinderklinik, sondern seit 2019 auch das Georg-Schönweiß-Seniorenheim in Nürnberg. Ihr Markenzeichen sind Karomuster von den Socken bis zum Kleid, die an ihre britische Heimat erinnern.

Bei beiden Clowns sind Mitglieder im Verein „KlinikClowns Bayern“. Dieser wiederum gehört zum Dachverband „Clowns in Medizin und Pflege Deutschland“, der im Dezember sein 20. Jubiläum feiert. 2004 mit vier Gründungsvereinen gestartet, ist der Dachverband nach eigenen Angaben heute der größte Zusammenschluss von Klinikclownsvereinen deutschlandweit. Die Clowns der 19 Mitgliedsvereine seien aktuell circa 21.000 Mal jährlich im Einsatz in Krankenhäusern, pflegenden und therapeutischen Einrichtungen.

Der Dachverband will einen einheitlich hohen Qualitätsstandard der Clownarbeit in Medizin und Pflege gewährleisten und setzt sich für eine flächendeckende Finanzierung ein. Als professionelle Künstlerinnen und Künstler werden Drücke und Curtis für ihre Einsätze bezahlt. Das Geld dafür kommt vor allem aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen.

In der Cnopfschen Kinderklinik haben die Clowns inzwischen das Krankenhausbett des fünfjährigen Radu mit bunten Luftballons gefüllt, sich von ihm eine Maisstange stibitzt und in einen Luftballon gesteckt, der nun beim Schütteln lustige Geräusche macht. Vater Adrian Ungureanu bekommt ein Herz als geduldigster Papa des Tages. „Mein Kind ist über zehn Tage im Krankenhaus, und ihm ist sehr langweilig, trotz Tablet und allem. Da war das heute ein toller Moment“, sagt er nach dem Besuch.

Details zu den Erkrankungen der Kinder erfahren die Clowns nicht. Das ist wichtig für ihre eigene seelische Gesundheit, die auch mit regelmäßigen Fortbildungen gesichert wird. „Wir sind zum Beispiel auf der Onkologie mit den Krebspatienten, aber dort erleben wir auch so viel Rührendes, und die Menschen sind sehr glücklich, dass wird da sind“, sagt Drücke. Er erzählt von einem rührenden Moment, als eine Mutter ihrem drei Monate alten Baby ein arabisches Schlaflied vorsang. „Dann hat Maggie aus ihrem Kulturkreis ein Schlaflied gesungen. Das fand ich unglaublich schön und berührend. Ein kostbares Geschenk, dass die Mutter uns daran teilhaben ließ.“

Zur Arbeit der Clowns gehört nicht nur das Lachen, erzählt Curtis. Sie versuchen, die Stimmung im Raum aufzunehmen. Wenn Eltern lieber jemanden umarmen oder weinen wollen, seien sie auch dafür offen. „Der Clown kann alles, und das ist, glaube ich, auch das, was unsere Arbeit ausmacht.“ 10 bis 25 Kinder mit ihren Familien besuchen Curtis und Drücke pro Einsatz.

Bei den Kindern agieren sie sehr spielerisch, sagt sie. „Weil wir vom Theater kommen, tanze ich Ballett oder Beppo spielt Romeo. Manchmal verstecken wir uns oder spielen mit den Luftballons.“ Bei den Senioren machen die Clowns mehr Musik, um Menschen mit Demenz mit alten Erinnerungen abzuholen. So ist jeder Einsatz anders, „und das ist das Schöne an unserer Arbeit. Es kommt immer etwas Unerwartetes“, sagt Curtis. (00/3928/11.12.2024)