Hans-Joachim Heist ist Schauspieler, Parodist, Komiker und Regisseur. Den meisten dürfte er bekannt sein durch die Figur des Gernot Hassknecht, die er in der Heute-Show im ZDF verkörpert. Ein Zornnickel par excellence! Auch auf der Bühne spielt er den Wüterich – nicht im kurzen Sketch wie im Fernsehen, sondern als Programm über zwei Stunden. Es funktioniert. Ist er privat auch ein Sklave seiner Gefühle? Das und vieles andere fragte ihn unter anderem Andrea Seeger.
• Was treibt Sie persönlich so richtig auf die Palme?
Was man an persönlichen Beleidigungen im Netz erleben muss. Besonders schlimm finde ich die anonymen Absender. Früher habe ich alles intensiv gelesen, heute schaue ich nur noch sporadisch hin. Ich bin dabei, aus den sozialen Netzwerken auszusteigen. Technisch habe ich es noch nicht vollzogen, bin aber wild entschlossen.
• Wie gehen Sie damit um? Lassen Sie den Zorn heraus oder beherrschen Sie sich eher, zum Beispiel beim Autofahren?
Ich lasse den Zorn heraus. Ich bin viel unterwegs mit dem Auto zu Auftritten, 60 000 Kilometer im Jahr. Da erlebe ich schon so einiges, gerade mit osteuropäischen LKW-Fahrern oder jungen Rüpeln. Manchmal werde ich laut, schreie herum, werde unflätig, haue auf das Lenkrad. Man darf nicht alles in sich hineinfressen, das ist ungesund.
• Wie reagieren Sie auf zornige Menschen?
Ich versuche zuzuhören und zu beschwichtigen, damit es nicht noch schlimmer wird. Eigentlich bin ich nämlich ein ganz friedlicher Mensch. Wenn es laut und ungerecht wird, halte ich aber lautstark dagegen und ziehe mich nicht schmollend zurück.
• Ein Wutausbruch kann reinigende Wirkung haben – wie nach einem Gewitter. Schreiben Sie ihm positive Wirkung zu oder eher negative?
Auf jeden Fall positive. Danach muss es dann aber gut sein.
• Sie sind als Gernot Hassknecht der Chef-Choleriker der Heute-Show im ZDF. Man könnte es als Rolle Ihres Lebens beschreiben. Wie kommt ein so freundlicher Mensch mit Goldrandbrille und nettem Lächeln dazu?
Ich habe in einer kleinen You Tube-Serie einen cholerischen Familienvater gespielt. Produziert haben wir das bei mir zu Hause im Wohnzimmer. Das haben die Heute-Show-Macher gesehen und mich zu einem Casting eingeladen. Das war 2009, als die Sendung startete. Da war ich 60. Wenn man in diesem Alter noch so eine Rolle bekommt, ist das schon großartig.
• Wie schaffen Sie sich in den Zorn hinein? Müssen Sie an etwas Gemeines denken?
Das erreiche ich allein über den Text. Den schreibt größtenteils Oliver Welke und schickt ihn mir zu. Wenn ich dann ins Studio komme, gehen wir ihn noch mal durch. Manche Dinge sind schon recht heftig. Ich bin ein politischer und engagierter Mensch, das funktioniert dann ganz schnell. Wir sind da ziemlich auf einer Wellenlänge. Es erschließt sich meist deutlich, welcher Politiker dringender Weise in der Heute-Show auftreten muss.
• Und wie funktioniert das handwerklich: Atmen Sie auf eine bestimmte Art und Weise, benutzen Sie eine bestimmte Mimik, Gestik oder ähnliches?
Körperlich wärme ich mich auf. Ich habe ja auch ein Hassknecht-Bühnenprogramm. Seit 2017 ist schon das zweite zu sehen. Vor einem Auftritt laufe ich mindestens zehn Minuten durch die Katakomben der Veranstaltungshalle. Ich mache regelmäßig Stimmübungen. Die Stimme ist mein Kapital, die muss ich pflegen. Dazu kommen Atemübungen und Gesichtsgymnastik.
• Wie kommen Sie wieder runter vom Zorn?
Von ganz alleine. Es muss allerdings langsam und entspannt zugehen, gerne trinke ich dann auch ein Glas Wein.
• Dürfen Sie über alles wüten oder gibt es Tabus?
Natürlich! Menschenverachtendes und diskriminierende Beleidigungen haben dort nichts zu suchen. Dem Satz „Satire darf alles“ stimme ich nicht zu.
• Denken Sie sich das Thema aus oder wer macht das?
Oliver Welke macht das. Bis Dienstag, spätestens Mittwoch legt das Team die Themen fest. Studentische Hilfskräfte, die Sichter, beginnen schon am Wochenende vorher, die politischen Themen durchzuforsten nach Verwertbarem für die Heute-Show. Vier Leute setzen das dann graphisch um, die machen sehr gute Arbeit.
• Der Nachname der Figur „Hassknecht“ lässt sich auch erklären als Sklave der Gefühle. Wer hat sich den ausgedacht? Und was steckt dahinter?
Den Namen hat sich Oliver Welke ausgedacht. Da war gerade die Rede vom Wutbürger im Zusammenhang mit Stuttgart 21. Aber vielleicht hat er auch an den Sklaven der Gefühle gedacht. Ich muss ihn mal fragen.
• Gernot Hassknecht ist beliebt, Sie stehen mit dieser Figur auch auf der Bühne. Was gefällt so vielen Menschen daran?
Für viele Menschen ist der Hassknecht die Stimme der ungehörten Masse, Sprachrohr, wenn es darum geht, Frust und Ärger über die Missstände in unserem Land lautstark auf den Punkt zu bringen. Ich achte stets darauf, dass die Figur parteiübergreifend agiert.
• Sie werden wahrscheinlich viele Zuschriften bekommen – auch wütende?
Ja! Das bleibt bei einer polarisierenden Figur nicht aus. Am schlimmsten sind die anonymen, sehr beleidigenden Posts in den sozialen Netzwerken. Ich hatte tatsächlich auch schon mal Angst. Aber die positiven Zuschriften überwiegen.
• Worüber mokieren sich die Leute?
Besonders über die Kritik an Parteien oder einzelnen Politikern. Da gibt es schon mal einen Shitstorm. Darauf zu reagieren, macht keinen Sinn, sie wollen sich nicht auseinandersetzen.
• Sind Sie Ihrer Rolle als Wüterich nicht mal überdrüssig oder macht es Ihnen immer noch viel Spaß, so richtig abzulästern?
Die Rolle macht mir nach wie vor sehr viel Spaß. Ich hoffe, dass es den Gernot Hassknecht noch so lange geben wird, wie es die Heute-Show gibt. Das Bühnenprogramm ist noch bis Februar 2020 gebucht. Wir müssen diesen Sommer entscheiden, ob es ein drittes Bühnenprogramm geben wird. Wir haben da schon verschiedene Ideen.