Artikel teilen:

Decken, Tee und Messgeräte

Tipps für kalte Kirchen, warme Gemeindehäuser und gute Atmosphäre

Eine große historische Kirche um zehn Grad aufzuheizen, kann Hunderte von Euro kosten – für einen einzigen Gottesdienst. Angesichts dramatisch gestiegener Energiekosten ist das ein Horrorszenario für viele Gemeinden. Gibt es Alternativen? Carsten Haeske, Pfarrer und Dozent im Fachbereich Gottesdienst und Kirchenmusik des westfälischen Instituts für Aus-, Fort- und Weiterbildung, hat Ideen und Informationen gesammelt.

Umzug ins Gemeindehaus
Kirche kalt lassen und ab ins geheizte Gemeindehaus – das ist eine verlockende Vorstellung. Die Idee ist nicht neu; sie wurde in einigen Gemeinden auch vor der Energiekrise schon praktiziert. Für Carsten Haeske hat sie über den Spareffekt hinaus gleich mehrere Vorteile: Ein anderer Raum bietet auch andere Möglichkeiten der Gestaltung. So könne man die Stühle im Kreis oder einer Ellipse anordnen, den Altar neu gestalten und mit dem Licht experimentieren. Außerdem lädt dieses veränderte Setting auch zum Ausprobieren alternativer Gottesdienstformen ein: Warum nicht mal eine Predigt als Gespräch über den Bibeltext inszenieren, als Erzählung mit Fragen oder als Meditation? „Im Gemeindehaus steht niemand auf einer Kanzel und predigt von oben herab. Vielmehr kann Verkündigung auf Augenhöhe, im Austausch miteinander stattfinden“, erläutert Haeske.

Angebote für Leib und Seele
Ein Umzug ins Gemeindehaus bietet auch die Chance, Gottesdienst und Mahlzeiten miteinander zu verbinden. Neben dem traditionellen Kirchcafé, verbunden mit einem Predigtnachgespräch, wären auch Gottesdienste mit Frühstück oder Mittagessen denkbar – oder ein Vespergottesdienste am frühen Sonntagabend. Gerade für Familien mit Kindern sind solche Angebote attraktiv, zumal wenn auch der Gottesdienst entsprechend familienfreundlich gestaltet wird. „Kirche kunterbunt“ etwa, ein Gottesdienstformat für Kinder und Erwachsene, lässt sich im Gemeindehaus gut einbetten. Salbungen oder Segnungen sind Rituale, die für alle Altersgruppen den Gottesdienst um sinnliche Erfahrungen bereichern. Oder warum nicht mal etwas ganz Neues ausprobieren und gemeinsam ein Musical einstudieren?

Nachteil: zu intim
Was für manche Gottesdienstbesucherinnen und -besucher anziehend wirkt, schreckt andere unter Umständen ab: Es gibt Menschen, die sich einfach gern in eine Kirche setzen und dem Gottesdienst folgen möchten, ohne selbst angesprochen zu werden. Sie würde die familiäre Atmosphäre im Gemeindehaus vom Gottesdienstbesuch vielleicht abhalten. Auch die Sorge, dass Menschen nach den vielen Unwägbarkeiten der Corona-Zeit auf weitere Veränderungen eher abwehrend reagieren, treibt manche Gemeinden um. Zudem erfordern neue Formen natürlich auch mehr Vorbereitungszeit für hauptamtlich wie für ehrenamtlich Mitarbeitende. Carsten Haeske empfiehlt daher, nicht ganz auf den traditionellen Gottesdienst zu verzichten, sondern ein Programm mit wiederkehrenden Formaten und Zeiten anzubieten.

Kirche trotzdem öffnen
Natürlich muss die Kirche nicht komplett geschlossen werden. Sie kann für Menschen geöffnet bleiben, die hier einen Raum für Stille und Gebet suchen und dabei der Kälte trotzen. Damit Orgel, Ausstattung und Kunstwerke keinen Schaden nehmen, muss dabei vor allem die Luftfeuchtigkeit überwacht werden, wie Carsten Haeske erklärt. Sie soll möglichst zwischen 50 und 70 Prozent liegen. Eine elektronische Überwachung mit einem sogenannten Datenlogger hilft dabei, diese Werte einzuhalten. Die Evangelische Kirche von Westfalen stellt solche Geräte zur Verfügung.

Gottesdienste bei 6 Grad
Auch das ist möglich – immerhin wurde es jahrhundertelang so praktiziert. Bei diesen Temperaturen sollte allerdings über eine verkürzte Liturgie und Predigt nachgedacht werden. Alternativen wären Gottesdienste im Stehen, mit Bewegungen oder Rundgänge zu liturgischen Stationen. Dabei gilt auch: „Wenn die Menschen sich innerlich auf die Situation einstellen, empfinden sie die Kälte nicht so stark“, meint Haeske.

Personen statt Luft heizen
Soll in der Kirche trotz allem geheizt werden, ist eine punktuelle Wärmequelle wesentlich effizienter als das Aufheizen des gesamten Raumes. Sitzheizungen und aufheizbare Sitz- oder Fußmatten haben eine große Wirkung, kosten allerdings auch Strom. Falls sie in größerem Umfang eingesetzt werden sollen, sollte ein Elektriker prüfen, ob die Leitungen die Belastung aushalten, rät Haeske. Einfacher und umweltfreundlicher ist es, am Eingang Wärmflaschen, Decken, Kissen und vielleicht noch einen warmen Tee zu verteilen – wobei Textilien danach in geheizten Räumen gelagert werden sollten, um Feuchtigkeit und Muff zu vermeiden.  

Was ist mit Heiligabend?
Eine ausgekühlte Kirche für einen einzigen Tag aufzuheizen, ist wenig sinnvoll. Die westfälische Landeskirche rät daher dazu, bis Weihnachten für Gottesdienste eine Grundtemperatur in den Kirchengebäuden zu halten und erst danach ins Gemeindehaus umzuziehen. Natürlich ist es auch möglich, nur für die Heiligabendgottesdienste in die ungeheizte Kirche zu gehen – „das erinnert dann mehr an das Original-Weihnachten“, meint Carsten Haeske und verweist außerdem auf die vielen kreativen Alternativen, die während der beiden Corona-Weihnachtsfeste entstanden sind.

Mehr Kreatives im Internet
Weitere Tipps und Ideen, auch zu Online- und Hausgottesdiensten, finden sich auf einer Pinnwand im Internet: t1p.de/Winterkirche