Seit Wochen brodelt es an der Universität Würzburg: Studierende werfen dem Lehrstuhl für Neueste Geschichte eine „neurechte Diskursverschiebung“ vor – Lehrstuhlinhaber Professor Peter Hoeres spricht dagegen von einer „politischen Kampagne“ aus dem linken Lager gegen ihn und seinen Mitarbeiter Benjamin Hasselhorn. Nun hat sich erstmals auch die Universitätsleitung inhaltlich zum Thema geäußert. Eine „Taskforce“ der Uni habe „keinerlei Anhaltspunkte“ für „irgendein straf- oder disziplinarrechtliches Verhalten“ am Lehrstuhl gefunden.
Auslöser der Debatte, die zunehmend öffentlich ausgetragen wurde, war ein Beschluss des Studierendenparlaments vor wenigen Wochen. Die Studierendenvertreter hatten Konsequenzen von der Uni-Leitung gefordert. Sie reiben sich vor allem an Hasselhorn, der momentan als Akademischer Rat auf Zeit am Lehrstuhl tätig ist. Es geht unter anderem um seine Beiträge in der „Sezession“, eine Zeitschrift des neurechten Spektrums, die heute vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Zum Zeitpunkt, als Hasselhorn unter Pseudonym dort veröffentlicht hat, war das allerdings noch nicht so.
Während Hasselhorn in der Angelegenheit bis auf ein schriftliches Einheits-Statement an die Medien zur Angelegenheit weitgehend schweigt, hat sich sein Chef Hoeres für die Abteilung Attacke entschieden. Seit Wochen gibt er Interviews und flutet seine Social-Media-Accounts mit Beiträgen von sich und anderen zum Thema. Sein Hauptvorwurf: Studierende und Medien aus dem linken Milieu greifen mit ihrer Kampagne die Freiheit der Forschung und Lehre an. Diese Vorwürfe laufen aus seiner Sicht ins Leere, das Lehrangebot am Lehrstuhl sei ausgewogen.
Die Universitätsleitung teilte nun in einem Statement am Donnerstagabend mit, sie nehme die zunehmende Polarisierung in dieser Angelegenheit „mit Sorge“ wahr: Der inhaltliche Diskurs dürfe nicht zu einer Spaltung führen, sagte Paul Pauli, Präsident der Uni Würzburg: „In diesem Zusammenhang versichert die Universität ihre bestehende Fürsorgepflicht für die betroffenen Mitarbeiter.“ Diese hatte Hoeres seitens der Hochschulleitung bisher vermisst, sagte er kürzlich dem Evangelischen Pressedienst (epd). Vergangenen Freitag gab es ein Gespräch zwischen Hoeres und Pauli.
Bleibt die Frage, weshalb der Konflikt derart öffentlich eskaliert ist. Der Universität sei „sehr an einer Deeskalation“ gelegen, heißt es in der Stellungnahme der Unileitung. Man prüfe, ob man „zeitnah externe Experten“ zur Versachlichung der Debatte einbinde. Längst geht es nicht mehr nur um die Frage, wer wann in welcher Zeitschrift was genau veröffentlicht hat. Inzwischen teilt vor allem Lehrstuhlinhaber Hoeres über verschiedene Medien, in denen er selbst regelmäßig publiziert, sowie im Netz gegen die „linken Aktivisten“ aus.
Hoeres teilt etwa auf seinem Facebook-Profil verschiedene Beiträge zu seinem Fall, die plötzlich noch ganz andere Töne anschlagen. In einem heißt es: „Anstatt stolz darauf zu sein, dass sie einen couragierten Professor beschäftigt, der sich für jüdische Studenten einsetzt, intrigiert die Uni Würzburg gegen Prof. Peter Hoeres?“, schreibt ein Nutzer, nur um einen Satz später zu fragen, ob die Universität Würzburg „auf höherer Ebene etwa ein Antisemitismus-Problem“ habe. Fragen, weshalb er die Debatte, die er selbst als rufschädigend betrachtet, durch das Teilen solcher Beiträge weiter befeuert, beantwortet Hoeres derzeit nicht. Um die inhaltlichen Vorwürfe der Studierenden – neurechte Diskursverschiebung in der Lehre, Publikation wissenschaftlicher Mitarbeiter unter Pseudonym – geht es inzwischen nur noch ganz am Rand.
Auch andere Wissenschaftler der Uni Würzburg befeuern durch ihre öffentlich einsehbaren Kommentare in sozialen Medien die Debatte. Politikwissenschaftler Thomas Kestler, der zuletzt als Vertretungsprofessor an der Uni Würzburg tätig war, wirft der Universitätsleitung zum Beispiel „Untätigkeit bis hin zur Komplizenschaft mit diesen Denunzianten“ vor, die „justiziabel sein“ dürfte. Auf epd-Anfrage betonte Kestler, er kommentiere auf Facebook als Privatperson. Er sei entsetzt darüber, wie der Ruf seiner Kollegen „mit haltlosen, völlig diffusen Unterstellungen“ beschädigt werde.
Das Magazin „Tichys Einblick“ hat sich des Falls inzwischen auch angenommen. Das Magazin charakterisiert seine Blattlinie selbst mit den Worten: „Nur wer bereit ist, sich der rotgrünen Meinungs- und Medienmacht entgegenzustellen, kann das Land zum Besseren verändern.“ Den Fall Hoeres bezeichnet es als „Kampagne, die an die Stalinisierung der ostdeutschen Universitäten und Hochschulen nach 1945 erinnert“. Auch diesen Beitrag hat Hoeres weiterverbreitet. Der Autor schreibt, laut seinen Recherchen wusste die Uni-Leitung seit Monaten von den Kampagnenplänen.
Die öffentliche Auseinandersetzung dürfte damit noch nicht zu Ende sein. In der Mitteilung der Universität heißt es, Präsident Pauli habe mit Hoeres „ein intensives Gespräch“ geführt. Ein Ergebnis: Die beiden verständigten sich „unter anderem darauf, möglichst bald einen ergänzenden Lehrauftrag im Fach Neueste Geschichte zu erteilen“. Weshalb, das lässt die Mitteilung offen. Laut Hoeres und den Unterstützungsschreiben aktueller und ehemaliger Mitarbeiter gäbe es dafür allerdings gar keinen Bedarf. Sie attestieren dem Lehrstuhl „ein breites Spektrum politischer Haltungen“. (1178/04.04.2025)