Frauen als Pfarrerinnen – wo ist eigentlich das Problem?, möchte man kopfschüttelnd fragen. Christinnen und Christen gehen davon aus, dass Frauen wie Männern nach biblischem Zeugnis die gleiche Gottebenbildlichkeit zukommt, und damit die gleiche Würde und Wertigkeit. Warum also sollten Frauen nicht ein geistliches Amt ausüben können und genauso wie Männer einen Gottesdienst leiten, das Evangelium verkündigen und Sakramente verwalten?
Die Antwort der Kirchen, die die Ordination von Frauen bis heute ablehnen, ist, ganz schlicht ausgedrückt: Weil es nicht in der Bibel steht. Dieses Argument ist sowohl in der katholischen Kirche wie auch in den evangelischen Freikirchen grundlegend, wenn auch in unterschiedlicher Ausformung.
Die katholische Kirche betont: Jesus war ein Mann, und er erwählte als Apostel nur Männer. Aus dem Apostelamt ging nach dieser Deutung das Bischofsamt hervor, das seitdem in ununterbrochener Folge unter den Amtsinhabern weitergegeben wird – bis auf den heutigen Tag. Da Frauen in dieser Folge fehlen, sieht sich die katholische Kirche nicht dazu ermächtigt, sie zu Priestern zu berufen. Und so legte Papst Johannes Paul II 1994 unmissverständlich fest: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, (…) daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“
Diese Begründung beruht auf der Voraussetzung, dass das, was die Evangelien über Jesu Leben und Handeln berichten, historisch genau so geschehen ist – und dass es aus diesem Grund bis heute gelten muss. Beide Voraussetzungen müssen jedoch im Licht moderner Forschung und aufgeklärten Denkens hinterfragt werden. Die Geschichtsforschung geht längst von der Prämisse aus, dass bei Weitem nicht alles, was geschehen ist, aufgeschrieben wurde – und dass nicht alles, was schriftlich bezeugt ist, auch so stattgefunden hat. Ob Jesus also Frauen berufen hat oder nicht, lässt sich anhand der Evangelien weder eindeutig beweisen noch widerlegen. Und selbst wenn es tatsächlich nur männliche Apos-tel gab: Was damals galt, begründet noch keine Vorschrift für heutiges Verhalten.
Es gibt auch evangelische Kirchen, die die Frauenordination ablehnen; dazu gehören einige lutherische Nationalkirchen und verschiedene Freikirchen. Auch hier wird mit der Schrift argumentiert, am häufigsten mit 1. Korinther 14,34-36 („Das Weib schweige in der Gemeinde“) und 1. Timotheus 2,11-13 („Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre“).
Diese beiden Bibelstellen gelten als eindeutige Willensbekundung Gottes, die Frau vom Pfarramt auszuschließen. Aber wie schon bei der Frage nach der Apostelberufung, gilt auch hier: Die Voraussetzungen in der Gesellschaft und im sozialen Miteinander haben sich geändert. Was damals galt, muss heute zumindest einer kritischen Prüfung unterzogen werden.
Übrigens: Schon Jesus selbst hat sich gegen die starre Auslegung überkommener ritueller Vorschriften gewandt, etwa beim Ährenraufen am Sabbat (Markus 2,23-28). Wer also angebliche Normen der Bibel oder der Tradition daraufhin befragt, ob sie wirklich „um des Menschen willen“ noch gelten (Vers 27), der handelt im Sinne Jesu und des Evangeliums.