Von Christina-Maria Bammel„Diese komplizierten Zeiten überfordern mich. Drum sitz’ ich hier seit Ewigkeiten auf dem Gedankenstrich.“ Ein Spruch in der Sprechblase über einem deprimiert auf einer Linie sitzenden Strichmenschen aus einer Zeichnung von @kriegundfreitag. Komplizierte Zeiten überfordern und ermüden. Es geht nur gemeinsam mit Rücksicht und Vernunft. Wie weit geht der gemeinsame Meinungskorridor?
Günter Thomas, Theologe, hat in seinen Impulsen zur Verantwortung für die Kirche gemahnt, dass diese der Versuchung widerstehen möge, „aus Liebe zu den einen die anderen zu verachten und letztlich zu hassen“. Engagierte fragen sich, wie soll man innerhalb einer Gemeinde zu gemeinsamen Entscheidungen kommen? Was lässt sich noch richtig machen, ohne dass einer Ausgrenzung vermutet? Akzeptieren wir, dass die meisten Entscheidungen im Leben, auch im kirchlichen, permanente Kurskorrekturen sind. Manchmal muss mehr geregelt als geredet werden. Manchmal mehr geredet als geregelt, vor allem mit denen, die von umstrittenen Pandemiefragen, vom Kurskorrigieren, müde sind.
Armin Nassehi, Soziologe, hat daraus wachsendes Unbehagen als Konflikt einer Gesellschaft nicht mit einem Virus, sondern dieser Gesellschaft mit sich selbst beschrieben. Gilt das auch für die Organisation Kirche? Mag sein, dass ein durch die Krise erschwertes Leiten und Entscheiden nicht allein mit dem Gefühl der Überforderung zu tun hat, sondern auch mit der Einsicht, dass es kein Zurück in eine „frühere Harmonie“ gibt. Und dann ist da noch so etwas wie Generalmisstrauen. Es gibt eine Null-Toleranz gegenüber intoleranten Positionen mit unakzeptabel fehlendem Mindestabstand zu extremistischen Richtungen.
Es braucht aber auch dialogisches Raumgeben und offenes Aussprechen, ohne dass man sich gegenseitig verbal in den Boden stampft. Wie bietet sich Raum, mit allen in Beziehung zu bleiben, die nicht einfach durch drei gute Argumente überzeugt werden? Gemeindeorte sind als durchbetete Räume Dialogräume. In ihnen wird nicht mit Twitter-Tempo zurückgetippt, sondern wird mit längeren Reaktionszeiten geredet. So entsteht Raum, unperfekte Entscheidungen zu treffen, deren Unvollkommenheit dann aber zusammen ausgehalten wird.
Erfahrungen und Ideen aus Ihrer Gemeinde können Sie an drei Online-Abenden austauschen: www.eaberlin.de zum Thema: Lässt sich überhaupt noch was richtig machen? Zu unvollkommenen Leitungsentscheidungen in angespannten Zeiten: Jeweils Freitag 14. Januar, 4. und 11. Februar, 19–20.30 Uhr.